Bereits 2007 waren auf D’Autres Cordes (DAC) »Marée Noire« von Samuel Sighicelli und »Hors-Champ« von Bruno Chevillon erschienen. Der französische Elektroakustiker Sighicelli entlockt auf seiner vierten CD den Maschinen schwer cinephile Soundscapes, seine Fieldrecordings traversieren Flughäfen und Meere. Eine ähnlich sphärische Reduktionen wie etwa bei Asmus Tietchens, man hört die Geschichtsmächtigkeit der Musique Concrète. In eine ähnliche Kerbe schlägt der Avantgarde-Bassist Chevillon auf seiner ersten Soloplatte »Hors-Champ«, aber mit viel mehr Punk-Gestus und musikalisch zwischen sämtlichen Stühlen unterwegs. Grobe Reste von verschleppten Beats, Synthesizer-Flächen in besten Cut-Up-Breaks, concrètesche Klangtheater-Experimente mit der Stimme von Antye Greie-Fuchs, in den sich vaporisierenden Raum gesetzte Bass-Passagen, Free-Jazz-Gitarren: »Hors-Champ« eröffnet akustische Möglichkeitsperspektiven außerhalb der regulären Wahrnehmung. Noise-Jazz!?
Aktuell sind die CD »Récolte« von Franck Vigroux und die Musikvideo-Compilation »The Nishiazabu Affair« von Vigroux/Mariano Equizzi erschienen. Diese beiden VÖs fassen am augenscheinlichsten den Soundtrackhaften Zugang zu Musik von DAC zusammen: Das Urbane als psychotische Entropie, Stimmungen, die man von Ballard, »Tetsuo« oder »Bladerunner« kennt, gut abgehangene Distortionbeats, geisterhafte Stimmsamples, toxische Schlieren von Saxofontönen, White Noise als forschungsleitende Melodie im Chaos der Moderne. »Récolte« vermisst in klassisch gehaltener, aktualisierter Industrial-Manier das Mensch-Maschine-Verhältnis unter den Vorzeichen einer aus den Fugen geratenen Welt. Das Cover mit der Hundemaske führt dabei komplett in die Irre; obwohl vielleicht doch nur halb. Stellen wir uns vor, bei dieser Bar-Szene handelt es sich um psychotische Avancen eines Films über das Alleinesein in der Masse der Großstadt.
Auf der in Episoden namens »Affairs« organisierten DVD evoziert der sizilianische Filmemacher Equizzi dazu äquivalente Bilderströme zwischen schwarz-weiß flirrender Urban-Paranoia und humanoiden Digital-Aliens, Bilderflickern und Moiré-Rauschen, alles unterlegt von einer Stimmung, die so richtig creepy rüberkommt. Der Witz dabei ist, dass aufgebaute Erwartungshaltungen beinahe elegant, auf jeden Fall stimmig vaporisiert werden. Audiovision wie sie sein soll als ineinander verzahntes, immersives Live-Erlebnis. Damit lassen sich Symptome aller Art je nach dem bestens exorzieren oder genießen.