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M.I.A.

»Aim«

Interscope

Der Schriftzug »MIA Uniting People Since 2003« umkreist auf dem Backcover die Weltkugel, auf der groß die Insignien der Musikerin/Künstlerin, die in London sozialisiert wurde, prangen. Großspurig? Keineswegs, denn M.I.A. macht es kaum jemand nach, musikalisch wie politisch Radau zu schlagen. Etwa in »Fly Pirate«, das mit seinen Repetitionen und nach Maultrommel klingendem Sample Footwork zitiert. Dieser verspielte Track lässt gleich an das Video zum Opener »Borders« denken. Darin wird das »Fly Emirates«-Trikot des Pariser Fußballclubs Saint-Germain zu »Fly Pirates«. Eine Provokation, die Anwälte auf den Plan rief. Genialen Footwork-Reduktionismus offenbart auch »Jump In«, das Verständnis für Bootsflüchtlinge aufbringt: »Go, hit the sea. Like Noahs ark, illegal. Jump in«.
M.I.A. besticht einmal mehr durch Future Anthems. Vielleicht wäre das die goldrichtige Bezeichnung für ihr Wunderwerk aus schnippischem Rapgesang, melodischen Soundloops, u. a. generiert aus der Musik ethnischer Minderheiten, und lärmig rumpelnden HipHop-Beats. »Ali Ru Ok« tönt mit Oud und Tabla orientalisch und auf der Höhe der Zeit zugleich. Grenzen, die zu überwinden sind, ergeben das Motto dieses sechsten Albums der 41-jährigen Matangi Arulpragasam. M.I.A. besinnt sich ihrer Flucht aus Sri Lanka, die, als sie neun Jahre alt war, nötig wurde, weil ihr Vater bei den Befreiungstigern von Tamil Eelam (LTTE) gegen die Repression der singhalesischen Mehrheit kämpfte. »Visa« handelt nonchalant von US-Patrouillen an der mexikanischen Grenze und im essenziellen »Survivor« wird mit bestrickenden, fast kitschig lauschigen Klängen zum Nachdenken angeregt. Der wahre GOD sind Gold, Oil and Dollars. »Stars come and go just like every empire.« Zeit zum Dagegenhalten: »Survivor, who said it was easy? Survivor, they can never stop we.« Traurig, dass es nie alle schaffen werden.
Eine weitere Stärke auf »Aim« sind R&B-Zwiegesänge, etwa mit Zayn Malik in »Freedun« oder »Foreign Friend« feat. Dexta Daps. Erhellend, strahlend, erhebend! M.I.A. betont immer wieder ihr Ich, prahlt und ist guter Laune. Im lässig sinnfrei-fröhlichen Gereime »Bird Song« geht es derart unernst zu, dass Blaqstarr und in der Zweitversion ihr vormaliger Produzent Diplo mit ihren auch Motorengeräusche simulierenden Sounds scheinbar einen ganzen Hühnerstall aufschrecken. Pure Lebensfreude schillert durch, wenn HipHopPopBob-Konglomerate mit gewaltigen Bassdrums gedroppt werden. Sonnenschein detto im R&B-lastigen Song »Finally«, der Wesentliches zum Selbstverständnis von M.I.A. preisgibt. »What haters say about me donʼt worry me, I keep it moving forward to whatʼs ahead of me, Iʼm not gonna waste energy, Cause Iʼm free and Iʼm a freak.« So gesehen darf die denkwürdige Schlusszeile nicht nur als Metapher für das Leben aller in die Migration Gezwungenen gesehen werden: »Lifeʼs just a bitter sweet symphony«.

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