PAT METHENY liegt mir wirklich am Herzen – aus vielerlei Gründen und mit all seinen protoschizophrenen Eigenheiten. Ich bin weiterhin davon überzeugt, dass er aus einem reichen Wissen um die Geschichte des Jazz seinen eigenen persönlichen Stil entwickelte und in der Folge ein Jahrzehnt lang (1980-90) andere Gitarristen maßgeblich beeinflusste. Statt dafür aber ein entsprechendes Feedback zu erhalten, musste er sich sogar gefallen lassen, als Muzaklifter abgestempelt zu werden (frei nach der wohlbekannten Praktik, die Arbeit anderer zu stehlen). Das ist aber keinesfalls fair. Das akustische, bei Warner erschienene Soloalbum »One Quiet Night« (auf dem Metheny eine Baritongitarre in »Nashville tuning« spielt – die Stimmung ist ADGCEA, falls Sie es einmal selbst probieren wollen) fällt irgendwie aus dem gewohnten Rahmen. Allerdings stellt sich die Frage, wo genau in seinem Schaffen es einzuordnen wäre. Drinnen, draußen oder vielleicht dazwischen? Beim Anhören hatte ich das Gefühl, dass Metheny ziemlich traurig und einsam klingt, als würde er spielen, während er in Wirklichkeit nur darauf wartet, dass jemand kommt, um mit ihm zu spielen. (Erinnern Sie mich daran, dass ich ihm eine Postkarte schicke.)
»Soliloquy« (Capitol-EMI/Import) vom Meister der unmöglichen Akkordfolgen, Mr. GEORGE VAN EPS, ist da schon eine ganz andere Krankheit. Von diesem verrückten Klangforscher waren seit gut 20 Jahren kaum mehr Aufnahmen auf dem Markt. Es ist wirklich eine Schande, wenn sich die Plattenindustrie überhaupt nicht – oder nicht einmal – um die Musikgeschichte verdient macht, wo er doch die siebensaitige Gitarre erfunden hat, und das ein halbes Jahrhundert bevor sie von irgendwelchen Metal-Typen wieder aus der Versenkung geholt wurde. Auf sich allein gestellt, präsentiert Van Eps hier ein Soloprogramm, wobei er mit seiner ureigenen Blockakkord-Technik den Fingern wieder das Letzte abverlangt, das jedoch mit erstaunlicher Ausdauer und Konsequenz (was wir auch von Milt Buckner kennen). Meiner Meinung nach ein Muss!
In der Disziplin Geschichte und Swing sind die Sieger diesmal fraglos die vom französischen Jazzfachmann Philippe Baudoin für uns ausgewählten »Jazz Masters of Acoustic Guitar« (Saga/Universal). Einfach alles, was Sie immer schon hören sollten, ohne je davon gehört zu haben – oder täusche ich mich, und es kennt doch jemand ein paar der Mitwirkenden, von Oscar Alemán über Al Casey und Eddie Durham zu Carl Kress, Roy Smeck und so weiter? Glauben Sie mir, mit der Musik ist es wie mit dem Kino, denn während man diese Aufnahmen aus den späten 20ern und 30ern hört, stellt man sich unweigerlich dieselbe Frage wie während eines Stummfilms: Wie haben sie das gemacht? Es fällt mir nicht schwer, altmodisch zu sein und mit großem Vergnügen zu genießen, wenn das Angebot so aufregend ist (und ich möchte dann auch bestimmt nicht wissen, was man später noch alles gemacht hat).
Auch die nächste Veröffentlichung ist für mich ein ungelöstes Rätsel, wenngleich aus einem anderen Grund. Bei »Compositions for Guitars« (A bruit secret/Metamkine), eingespielt von den drei Gitarristen/Komponisten BRETT LARNER, TAKU SUGIMOTO und BURKHARD STANGL, könnte ich nämlich in Anlehnung an das zuvor besprochene »Jazz Masters«-Album jetzt ganz einfach fragen: Warum haben sie das gemacht? Für mich ist das eine ganz normale und völlig wertfreie Frage nach dem Konzept hinter dieser Aufnahme, falls es überhaupt eines gibt. Wenn sich alle zuvor besprochenen Künstler mehr oder weniger »zeitgemäß« (d.h. hier von den 20ern bis gestern) anhören, so erscheinen diese drei Stücke extrem zeitgebunden, wobei aber das Konzept, das Repertoire usw. bereits eine Patina angesetzt haben, und in der Tat klingt alles durch und durch nach Revival. Ich konnte in den drei Kompositionen nichts entdecken, was nicht bereits seit den späten 60ern wieder und wieder präsentiert worden ist, und ich kann auch nicht erkennen, dass es uns diesmal von einem anderen Standpunkt, in neuem Gewand, mit neuem Sound oder auch nur in neuer Deutung dargeboten wird (obwohl die drei Stücke in Bezug auf das kompositorische Material und die Interpretation tatsächlich sehr verschieden sind). Von Larner kommt eine lange Reihe hoher Drones und Tonlagen, von Sugimoto ein Fluxus-inspiriertes Brummen (Gitarren-Pickups brummen nun einmal, o.k., und weiter?), und von Stangl eine Art schräger Essay über das Stimmen (wobei das kleine Stimmtheater während der drei Teile des Stückes rauf und runter geht). Dennoch ist diese letzte Komposition die weitaus amüsanteste, allein schon weil sie wunderschön mit einem guten alten John-Dowland-Blues endet. Oder wie immer Sie dazu sagen wollen.
Ich beende diese Box mit dem ganz jungen kanadischen Newcomer ANTOINE BERTHIAUME, der sich dafür entschieden hat, seine Aufnahme-Karriere gleich mit einem Doppel zu beginnen und mit den unabkömmlichen Gitarristen Fred Frith und Derek Bailey »Soshin« (Ambiances Magnétiques) eingespielt hat. Ich mag die Idee, dass man etwas »weiterreicht« oder Erfahrungen in der »direkten Konfrontation mit der Geschichte« sammelt. Ich hätte nichts gegen mehr fixe Inszenierungen dieser Art, einen Ring, der nicht von Wagner ist und in dem ein Dutzend MusikerInnen sich mit denselben zwei Pionieren auseinandersetzen müssen. Im Fall von Berthiaume ist das Ergebnis jedenfalls ein schöner Anfang. Dass das Duo mit Frith besser gelungen ist scheint eher an seinem besonderen Talent für Klänge und Räume zu liegen und weniger an seinem Phrasieren. Vor Derek könnte er allerdings Angst gehabt haben, vielleicht war es aber auch nicht der richtige Zeitpunkt, so dass sich nichts wirklich entwickeln konnte. Aber da Berthiaume vermutlich auch komponiert, werden bestimmt strukturiertere Alben folgen.
So viel zu Gitarren und Gitarristen. Wir werden aber mit Sicherheit auf dieses Thema zurückkommen, da es recht umfangreich und für manche von uns schier unerschöpflich ist. Dass das Instrument ein wahrer Bastard ist, kann dabei nur hilfreich sein. Ein herzliches Bling-Blang!
Guitars, new and used
Warum pfeife ich schon wieder auf das »tool concept« und überrasche Sie hier mit einem »Gitarrekasten«? Darum! So einfach ist das ...
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Text
Friederike Kulcsar (Übersetzung), Noël Akchoté
Veröffentlichung
28.09.2003
Schlagwörter
56
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