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Leonard Cohen

»You Want It Darker«

Columbia

»I’m so sorry for the ghost I made you be / Only one of us was real – and that was me« (»Treaty«). Während weltweit greise Heroen, flotte Zombies und unsägliche Epigonen in einer schier endlosen Retro-Totenmesse abgefeiert werden – womöglich wird bereits in zwei Dekaden die Popmusikkultur den Totenkult der Musik der Klassik egalisiert haben -, lechzt Leonard Cohen danach, seine eigenen RIP-Nachrufe in Form von Rezensionen zu durchschmökern. Also kündigt er, gewiefter Profi der er ist, zuerst sein alsbaldiges Nachfolgen der kürzlich verstorbenen herzallerliebsten Marianne an, um flugs drauf, durchaus wohlauf, in Los Angeles einen Rückzieher zu machen. Nun gedenkt der 82-jährige Cohen, doch noch weit über hundert Jahre alt zu werden. So, so, »So Long, Marianne« (Marianne Ihlen verstarb am 28. Juli 2016 in Oslo), warte, warte noch ein Weilchen, ach besitzt unser Dunkelmann doch Humor.
Etwas kurz geraten ist »You Want It Darker«, sein vierzehntes Album. Eigentlich enthält es lediglich acht Songs, nimmt man den neunten Track (»String Reprise/Treaty«) nicht als eigenen Song, sondern eben als Reprise. In postmodernen Zeiten tangiert das jedoch keineswegs, denn Zeit ist kostbar, die Konzentrationsspanne ohnehin kurz. Aber Hand aufs Herz: Hier gelang dem (einstigen) Charmeur ein würdiges Abschiedswerk, das zu den stimmigsten Alben in Cohens Å’uvre zählt. Klassischer Cohen, der sich nicht um Kopien seiner selbst abmüht, auch wenn er sich da und dort zitiert. Durchhänger, wie in einigen der Vorgängeralben, spart er lieber aus. Einen nicht unmaßgeblichen Beitrag zur vortrefflichen Inszenierung leistet dabei Sohn Adam Cohen, der als Produzent famose Arbeit vollbringt. Zeitloser Cohen und doch nicht aus der Zeit fallend, wahrlich immer noch und wieder brillant. In jungen Jahren sinnierte Cohen einst, dass er sich nicht jung fühle; nun mag man ihm zugutehalten, dass er in seinem letzten Lebensabschnitt keineswegs angestaubt anmutet.
Apropos datiert. Nicht seines eleganten Zwirns, sondern seiner privilegierten Herkunft wegen wurde Cohen von der internationalen Independent-/Alternative-Musikszene zeitlebens gegeißelt. Offensichtlich hat er dies noch immer nicht verwunden, denn eine Strophe im titelgebenden Song des Albums kann durchaus als Quittung verstanden werden: »They’re lining up the prisoners / The guards are taking aim / I struggled with some demons / They were middle-class and tame / Didn’t know I had permission / To murder and to maim …« (»You Want It Darker«).
Zieht man es vor, länger als 36 Minuten in typischer Cohen-Stimmung zu verweilen, höre man sich das Album noch einmal an oder greife zu einem seiner Klassiker – ein kleiner Geheim-Tipp: »Live Songs« aus dem Jahre 1973.
»A million candles burning / For the love that never came / You want it darker / We kill the flame«. »You Want It Darker« ist ein gewichtiges Abschiedsalbum. Ob es bereits Cohens letztes sein wird? Mein Gott, wer kann das wissen?!

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