»I was an apple and I got peeled« – die namensgebende Metapher der neuen EP von Panik Deluxe beschreibt deren Narrativ auf greifbare Weise. In acht Titeln bietet die Wienerin Lily Elektra, die hinter dem Künstlernamen steckt, intime Einblicke in ihr emotionales Innenleben und drückt dieses durch melancholisch-lyrische Texte aus. Eingebettet in Melodien zwischen New Wave und Electro formt sich ein traumartiges Dickicht, ein treibender Sog in dunkelblaue Schwere. Der Sound, der auf ihrem 2023 erschienenen Debütalbum »Without hope I am nothing« vorrangig zart und melodisch war, verhärtet sich auf »I was an apple and I got peeled«. Er klingt ungezügelter, mutiger und unberechenbarer. Seiner Schutzhülle entraubt, legt der Apfel sich zerstückelt und verletzlich dar, offenbart sich in düsteren Tiefen.
»Commit yourself to the void«
Bereits auf dem ersten Titel »Twigs« werden die Zuhörer*innen abrupt über die Klippe gestoßen, hinein in hedonistische Finsternis. Verzerrte Synths paaren sich mit kreischenden Adlibs, im freien Fall stößt man gegen harte Drumbeats, die durch einengende Schlingen brechen. Die Worte »Cut me open / sliced me up / consumed all of my trust for lunch« beschreiben aufwühlende Zustände von Haltlosigkeit, bitterer Enttäuschung, Desorientierung und Kränkung. Der besungene Vertrauensbruch mündet dabei weniger in lethargischer Trauer als in wütendem Zorn; mit letzter Kraft wird sich gewehrt, dagegengehalten, zurückgetreten.
Es ist ein Widerstand, der sich durch die gesamte EP zieht, jedoch regelmäßig von wehmütigen Momenten eingeholt wird. Während »Sabotage« zwischen behutsamen Aufbau und ausbrechendem Höhepunkt wechselt, wirkt »Collapse of common sense« wie eine in silbernen Schimmer gehüllte Lichtung, die den buchstäblichen Zusammenbruch der seelischen Kräfte bedeutet. Sehnsüchtige Lyrics von Zweifel und Unterwerfung breiten sich aus auf ausladenden Tonspuren, deren Pianoelemente wie blitzende Funken aufstieben. Es erweckt die Sorte Traurigkeit, nach der man süchtig werden kann.
»I asked for comfort and I asked for love«
Nach einer Spielzeit von knapp 3 Minuten geht das Rennen jedoch unerbittlich weiter. »Kilohertz« reißt das leuchtende Firmament seines Vorgängers gewaltsam herunter und stößt dröhnende Industrial-Beats aus, die im Kontrast zu den sirenenhaften Vocals stehen. Auf »Shame« wird schließlich der zynische Versuch unternommen, sich vom gebrochenen Herzen zu emanzipieren und dessen Heilung in die eigenen Hände zu nehmen. Weil man einsieht, dass man dies von niemand anderem erwarten kann. Zum ersten und einzigen Mal hört man eine andere Stimme als die Lily Elektras. Als Feature-Gast ist der norddeutsche Musiker Lauenburg vertreten, dessen Stimme von rauschenden Distortions durchdrungen ist und dadurch einen Eindruck von Ferne vermittelt. Als würde er sie von außen beobachten in ihrem Labyrinth undurchdringlicher Gefühle; ihr den Weg weisen wollen, ohne ihn selbst zu kennen.
Der namensgebende sechste Song auf »I was an apple and I got peeled« verwirft rasch wieder die schleierhaften Vorsätze von Vergebung und drückt in Worten wie »My skin held me together / and you made yourself a coat« klare Vorwürfe aus. Ein letztes Mal wird gekontert, protestiert, bis zur unausweichlichen Kapitulation. Die abschließenden Titel »Amends« und »A simple phrase« geben sich der Resignation hin, der Enttäuschung und der Demütigung. Ein echohaftes Outro gibt sowohl jegliche Verbitterung als auch Selbstverleugnung auf und macht sich verwundbar in seinem verwehrten Begehren. Besser gesagt: Panik Deluxe, Lily Elektra, macht sich verwundbar. Sie öffnet sich vor der Welt, als würde sie ein Buch aufschlagen, gibt sich preis in jeglichen ungeschönten Facetten, denen sie die Schönheit nachträglich anhängt. Durch bewegende Rhetorik und komplexe Arrangements verziert sie ihre Traurigkeit und gibt sie ihren Zuhörer*innen mit, gewährt ihnen tiefste Einblicke in ambivalente, schambehaftete und verletzliche Gefühlswelten. Sie ist ein Apfel mit dünner Haut, unter der sich alles verbirgt, was süß ist und sauer.