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Xavier Charles & Jacques Di Donato

»Ilex«

Protagoniste

Als Xavier Charles 1990 in die Klasse des Klarinettenprofessors Jacques Di Donato kam, um seine Technik zu verbessern, war wohl noch nicht vorauszuahnen, dass die beiden in künstlerischer Zusammenarbeit 2018 ein hochkarätiges Improvisationsalbum wie »Ilex« vorlegen würden. Es gab zwar in den 1990er-Jahren schon gemeinsame Projekte der beiden, jedoch ist das Maß verdichteter Ideen und Ausbrüche auf »Ilex« unerreicht hoch. Das mag auch daran liegen, dass vor allem Di Donato in der Zwischenzeit viele Erfahrungen in ganz unterschiedlichen Musikstilen und Formationsgrößen gesammelt hat, die ihn musikalisch rund um den Globus geführt haben. Nun sitzt er seinem ehemaligen Schüler gegenüber, aber von einer Lehrer-Schüler-Differenz ist hier nichts zu hören. Gemeinsam loten die beiden die Möglichkeiten der Klarinette(n) aus und verschwinden gemeinsam in klanglichen Nischen des altgedienten Holzblasinstruments. Die einzelnen, recht kurzen Stücke lassen sich mit wenigen Ausnahmen als in sich geschlossene Kapitel verstehen, in denen sich die beiden jeweils einer bestimmten Klangfarbe widmen. Mit jedem Track ein neuer Sound und eine erneute und jedes Mal mitreißende Vertiefung vom Hundertsten ins Tausendste. Man kann dieses Album einerseits natürlich analytisch hören und sich mit den Sounds, Strukturen und als Klarinettist*in wohl auch den technischen Aspekten auseinandersetzen, aber trotz all dieser Raffinessen hat »Ilex« die Kraft, vor verschlossenem Auge einen wahnsinnig spannenden Film abzuspielen. Am ehesten wäre diese CD ein Horrorfilm, der gänzlich ohne Blut und Gemetzel auskommt, aber einem dafür mit Spannung und viel Zeit den letzten Nerv rauben kann. Und Jumpscares gibt es auch. Charles und Di Donato nehmen uns hier mit in aufregende und gruselige Welten, die sowohl bildlich vorgestellt als auch klanglich erlebt eine immer wieder aufs Neue spannende Stunde garantieren.

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