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Das trojanische Pferd

»Wut und Disziplin«

Problembär Records

»Wut und Disziplin« hei&szligt das aktuelle Album der sogenannten eigensinnigsten Band Wiens, die im Kern aus dem Künstler- und Musikerduo Hubert Weinheimer und Hans Wagner besteht. Weitere Protagonisten sind diesmal Clemens Wannemacher (Deserted Minds), René Mühlberger (Velojet) sowie die New Yorker Cellistin und Singer/Songwriterin Meaghan Burke, welche für ihre schwarzhumorigen Lyrics bekannt ist und auch mal ganz gern in deutscher Sprache singt. Leichte Kost ist es diesmal nicht geworden, die soll es aber auch gar nicht sein. Mehr pragmatisch als dramatisch setzt Sänger Hubert Weinheimer die ausgetüftelten Lyrics in Szene. Die Stimmung des Albums wirkt zu Anfang bipolar, wie man etwa Fanny van Dannen oder manche Lieder von Element of Crime interpretieren könnte. Wütend ist der Grundtonus, doch die Wut diesmal charmanter verpackt als beim ersten Projekt mit dem gleichnamigen Titel zum Bandnamen. Daher wirkt das Ganze fast schon wieder versöhnlich mit der Welt. Einen beabsichtigten Auftrag, den Hörer über Missstände oder über die Ironie des Alltags in Kenntnis zu setzen, haben die Texte nicht. »Wenn sie ein bisschen schockieren und aufrütteln, dann ist das schon gut so«, sagt Weinheimer selbst. Die Message liegt also im Ohr des Hörers und was dieser daraus macht. Der Fokus des Duos ist aber dennoch der künstlerische Umgang mit Text und Sprache zur Musik. Das ist vielleicht auch das Grundelement, was diese Band von österreichischen Kollegen à la Ja, Panik, Kreisky oder Velojet unterscheiden könnte. Nachdem Hubert Weinheimer 2008 unter anderen Werken, mit den Lyrics zu »Wien brennt« bewiesen hat, dass Üsterreich doch so etwas wie ein Singer/Songwritertum hat, wurde es nach der Remix-EP (2009) »Hybrid« ein Wenig ruhiger um das Pferd. Persönlichen Gründen und nicht zuletzt der Beendigung seines Studiums der Soziologie wegen musizierte Weinheimer eine Zeit lang weniger. Hans Wagner verfolgte unterdessen mit Neuschnee und Hans im Glück eigene Projekte. Entgegen dem Medienrummel zu persönlichen Spannungen zwischen den Protagonisten, welche dieses Album angeblich »unrealistisch« erscheinen lie&szligen beschreiben die Künstler ihr Verhältnis zueinander familiär. Das impliziert zum einen ein tiefes Selbstverständnis, schlie&szligt aber Meinungsverschiedenheiten und Differenzen nicht aus. Das Foto-Shooting zum neuen Album, bei dem sich Weinheimer im Hochzeitskleid präsentiert scheint dieses Nahverhältnis einmal mehr zu unterstreichen. »Und wenns nicht klappt mit reden sauf ich…«. Weinheimer textet, definiert das Ganze mit der Gitarre an und Hans Wagner modelliert die Musik dazu. Historisch geprägt hat das trojanische Pferd es an sich, mit Unerwartetem zu kommen. So tut es die gleichnamige Band auch musikalisch, indem sie sich stilistisch zwischen vielen unterschiedlichen Genres hin und darüber hinaus bewegt. Der bezeichnende Begriff Chanson-Punk ist mehr eine bewegliche Attitüde, als die Festlegung auf einen konkreten Stil. »Ich kann mir hier kein Haus nicht bauen…«. Neben Weinheimers Stimme als zentraler Körper, gleicht kein Song dem Anderen. In »Nicht Wichtig« partizipiert die Orgel des Wiener Stephansdom. »Zwischen Tür und Angel« wird zum Ende hin samtig, smooth und jazzig. Dazwischen finden sich pfiffige Synths, Pseudo-Funk-, Rock-Passagen und auch schon mal ein Chor. Der letzte Song des Albums »Nörgler, Krittler, feiger Hund« geht dann wieder ins Klassische mit Cembalo, einem gefühltem Spinett und aufwendigem Fade-out. Dieses Album ist wie eine Geschichte die nicht langweilig wird, sondern einen immer wieder aufs Neue überrascht.

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