Du warst so lange dort gewesen, dass Du Dich bei Deiner Rückkehr kaum noch an mich erinnern konntest. Zu den Klängen des überaus gelungenen Sígur-Ros-Konzerts hast Du dann zu mir zurückgefunden – noch jetzt glaube ich das Gewicht Deines Kopfes an meiner Schulter zu spüren, ganz wie ein musikalisches Echo schönerer Tage -, aber auch nur um bei einer Björk-Ballade wieder die Flucht zu ergreifen. Was hilft mir da die isländische Literatur, was hilft mir da die isländische Musik. Eine ganze Menge, wenn man es genau betrachtet. Ich kann nicht oft genug darauf hinweisen, mich daran erinnern: Dieses kleine Land ist ein lebendiges, pulsierendes Kulturzentrum, das viel zu häufig aus unserem Blickfeld zu gleiten droht. Auch die neue Platte der isländischen Truppe M??M, mit dem wunderbaren Titel »Summer Make Good« (FatCat/Edel) versehen, bildet für mich da keine Ausnahme. Nach Ausflügen in elektronische Gefilde (vgl. hierzu das auf seine Art nicht minder reizvolle, 2000 veröffentlichte Debütalbum »Yesterday Was Dramatic, Today Is OK«), wird nun die vielstimmige Musikalität der Stille bemüht. Zwischen vereinsamten Aufnahmeorten und Lebenswelten vibriert ein elektrischer Sound, der Ähnlichkeiten zu Sígur Ros nicht zu verschleiern sucht, dabei aber doch eine Individualität und Eigenständigkeit bewahrt und man deshalb den lobenden Vergleich mit den geigenden Gitarristen nicht zu scheuen braucht. Wenden wir den Blick nicht ab, hören wir genau hin: »But would the summer make good for all our sins?« – eine überaus berechtigte Frage für ein Hörerlebnis der komplexen, vielleicht sogar komplizierten Art. Trotz des sommerlich anmutenden Titels werden hier vor allem die tobenden Stürme akustisch illustriert, ein Soundtrack zu einem Film der wie ein Vorbote besserer Zeiten wirken könnte. In seiner Intimität verlangt das Album nach einer persönlichen, wiederholten Decodierung in aller Ruhe und Stille. Ich setze meine Kopfhörer auf, ich möchte mir kein Geräusch, nicht das Knacken eines einzigen Herzens entgehen lassen. Nur das Brechen meines eigenen mag ich nicht schon wieder hören müssen.
Wie Island mein Leben doch nicht zerstört hat
Lange Zeit habe ich geglaubt, Island wäre der deutlichste Ausdruck meiner persönlichen Apokalypse.
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