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Margaret Brown

»Towns van Zandt - Be Here To Love Me« (DVD)

MFA

Vor einem Abgrund befindlich spielen wohl viele mal alle Optionen gedanklich durch. Denn schon Tocotronic wussten, dass man drei Schritte vom Abgrund entfernt vor allen Dingen nicht stehen kann. Im zitierten Song passiert zwar nix, aber bei Townes van Zandt ist das ein bisschen anders. Der Sprung vom Balkon einer im vierten Stock gelegenen Wohnung, die Schauplatz einer der nicht seltenen Partys im Leben van Zandts war, scheint aus der Rückschau des nun von Margaret Brown vorgelegten Dokumentarfilms »Be Here To Love Me« als Zäsur in seinem Leben und Beginn seines häufig erdrückend traurig erscheinenden erwachsenen Lebensabschnitts. Denn von da an kommt kaum eine Episode seines Lebens ohne depressive Schübe, die davon nicht abzukoppelnden mannigfaltigen Drogenexzesse plus partielle Asozialisierungsprozesse aus. Der Film bildet dies angenehmerweise ohne Verfallsvoyeurismus oder stereotype rockistische Selbstzerstörungsfaszination ab, die manche von seinen letzten Konzertgästen auf der Tour des Winters 1996, Wochen vor seinem Herzinfarkt-Tod zu Neujahr 1997, motiviert haben dürfte. Zu tragisch schwebt hier über allem Depression, die nach dem Sprung diagnostiziert wird und wegen der er eine als Nebenwirkung seine Kindheitserinnerungen auslöschende Schocktherapie erhält. Zum Glück entdeckt er Dylan und Lightnin‘ Hopkins, Country, Folk und den Blues, sonst hätte er sich vermutlich noch mehr Coca-Cola in die Venen gespritzt und vor allem all die »nicht immer traurigen, nur hoffnungslosen« Lieder für sich behalten. Bemerkenswertes zur Person tritt zu Tage, wenn van Zandts Schwester erklärt, Townes habe darunter gelitten, dass er eine recht wohlbehütete und wohlbegüterte, im Grunde glücklich zu nennende Kindheit gehabt habe, da er eigentlich mit jenen mitfühlte, die dies nicht von sich behaupten konnten. Über all dies hätte man gerne noch mehr erfahren, denn all die Interviews mit seinen Frauen, Kindern und Freunden wie Steve Earle oder Kinky Friedman sind sehr mitteilsam. Stattdessen übertreibt es der Film mitunter bei seinen poetischen, gar synästhetisch-morbiden Landschafts- oder Highwayeinstellungen, die seinen Gemütszustand fast zu naturalisieren drohen oder dann doch zumindest ein bisschen arg mythisierend wirken. Vielleicht ist es aber auch ein Vorzug, dass all jene, die es sich leisten konnten, van Zandt bis dato zu ignorieren, von diesem Film neben den zauberhaft-melancholischen Songs auch mit einigen Lebensrätseln neugierig gemacht werden.

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