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Michael Obert

»Song From The Forest«

Gruenrekorder

Wenn das Genre Field Recordings wie Pop funktionieren würde, dann wäre »Song From The Forest«, der Soundtrack zum gleichnamigen Dokumentarfilm von Michael Obert. So etwas wie ein Blockbuster, mehr als das sogar, ein kanonisches Werk, das einerseits alle Tugenden des Genres, zugleich all seine Stereotypen und Romantizismen vereinigt. Michael Oberts Regiedebüt ist eine Dokumentation über einen Amerikaner, der seit einem Vierteljahrhundert »im zentralafrikanischen Regenwald unter Bayaka-Pygmäen lebt und mit seinem Sohn, dem Pygmäenjungen Samedi, eine Reise nach New York City unternimmt«. Obert ist als globetrottender Autor und Journalist für »Geo«, die »Süddeutsche« und viele andere renommierte Medien einschlägig vorbelastet. Der Film wiederum wurde mehrfach preisgekrönt und natürlich knüpft sich daran ein Spendenprojekt, das der Erhaltung der Kultur der Bayaka-Pygmäen zu Gute kommt. Der Soundtrack schließlich ist, wie schon angedeutet, der Inbegriff eines Field Recording-Romantizismus: wir hören die Gesänge der Pygmäen, ihr Trommeln an den Bäumen, den Gesang der Insekten, ein polyphones Flötenspiel wie aus dem Lehrbuch der äquatorialen Folklorstik sowie viele Tribal Songs & Pieces, die fast ausschließlich eingängig klingen, aufgenommen noch dazu über Jahrzehnte hinweg. Zu allem Ûberfluss handelt es sich um Sounddokumente einer allmählich verschwindenden Kultur. All das ist über jeden Tadel erhaben, gar keine Frage. Aber eben darum regt sich Skepsis gegenüber dieser schlichtweg umwerfend schönen CD. Ist das vielleicht doch nur Befindlichkeitsfahrstuhlmusik für Ethnologen? Schwer zu sagen. »These are the most lovely voices on earth«, schreibt Obert über den Track Nummer Zwei. Wir hören, tief aus dem Regenwald heraus echoend, begleitet vom Zirpen der Grillen und dem Zwitschern der Vögel, die Bayaka-Frauen singen. Und das ist wirklich schön, ohne Frage. Selten hat es eine CD der geneigten Hörerin so leicht gemacht, die Augen zu schließen und an Ort und Stelle in eine schöne, unberührte, exotisch-märchenhafte Wildnis zu reisen. Vielleicht zu leicht, vielleicht eben darum diese Skepsis. Einfach zu schön dieses Album.

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Text
Curt Cuisine

Veröffentlichung
14.02.2015

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