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Sie wünschen – wir schreiben! – Jamaican Voodoo Inna Dub Style

Nachdem wir sogar schon etwas erboste Mails wegen fehlenden Dub/Reggae-Reviews in den letzten Heften bekommen haben, hier nun also sozusagen eine Art Zusammenfassung aktueller Forschungsinteressen und ebensolcher Ergebnisse. Alles weitere kann bei Lloyd Bradley (vgl. »Readable« in skug55) nachgelesen werden.

In seinem Buch »Extended Play: Sounding Off from John Cage to Dr. Funkenstein« (1994) beschreibt John Corbett die Ratafari-Dub-Psychedelica von Lee Perry als »a world of hidden connections and secret pacts« und meint dabei nicht nur Paul Gilroys den Black-Atlantic-Komplex, sondern ein spezifisch jamaikanisches Gewusel bei dem Rasta-Glaube, afrikanische Kulte wie Obeah und modernste Studiotechnologien geradezu gnostische Symbiosen wie auch synkretistische Hybridformationen eingehen. Wahnsinn als Methode auf dem Weg zu neuen Innovationen. Wobei die karibische Techngnostik auf Jamaika selbst beim puren Knöpferldrehen ein komplizierte Geisterbeschwörung (Lee Perrys berühmte 16 Spuren auf seiner nur für vier Spuren gebauten Tape-Maschine) darstellen kann. Nicht umsonst verknüpft John Corbett das Wort »dub« etymologisch mit »duppie«, dem jamaikanischen Patois-Ausdruck für »Geist«. Von so einem »duppie« war wohl auch Osbourne Ruddock, besser bekannt als King Tubby, beseelt, als er schon Ende der 1960er Dub sozusagen per Zufall erfand (bzw. entdeckte). Mit seiner selbstzusammengebastelten Sound/Mix-Konsole hatte Tubby nun genügend »Soundwerkzeuge« (Prince Buster) zur Verfügung, um die Klänge in seinem Kopf (ähnlich Lee Perry) Realität werden zu lassen. So wurden etwa die berühmten »Thunderclaps« seiner »Donnertrommeln« durch kräftige Handkantenschläge auf ein altes Federhall-Gerät verursacht. Wobei King Tubby die Akzente aber immer auch auf die Riddims legte, was ungeheure Effekte zur folge hatte. Operiert die Dub-Verfremdungen bei Gitarren und Keyboards mit veränderten Raumwahrnehmungen, so geht es bei gedubbten Riddims um radikal veränderte Zeit-Empfindungen, die im Prinzip durch die dadurch entstehenden Gegen-Rhythmen wieder direkt (qua »Black Atlantic«) mit Afrika und den dortigen polymetrischen Trommeln kommunizieren und zudem Zeit zusammenfalten, komprimieren und durch den Rhythmus neu organisieren. Was nun wohl auch sämtliche Wurmloch-Assoziationen bei Dub (und die ewigen Verweise zu Sun Ra, Hendrix, George Clintons Parliament/Funkadelic) verständlich und nachvollziehbar macht. Kurz: »With dub, Jamaican music spaced out completeley. If reggae is Africa in the New World, dub is Africa on the moon.« (Luke Ehrlich: »X-Ray Music: The Volatile History of Dub«)
Listening Comprehension:
a) Dub: Lee »Scratch« Perry: »Cutting Razor. Rare Cuts From The Black Ark«, Niney The Observer Presents King Tubby In Dub: »Bring The Dub Come« (Rares aus Tubbys Dub-Kellern, beide Heartbeat/EFA/Ixthuluh), Ja-Man All Stars »In The Dub Zone« (Bestechende Riddims bestehend aus den Alben »Ja-Man Dub«, 1977, und »King’s Dub«, mit u.a. King Tubby-Mixen, 1980, Blood & Fire/Ixthuluh), King Tubby: »100% Of Dub« (EinsteigerInnen-Compilation mit vielen Klassikanern, Select Cuts/EFA/Ixthuluh)
b) Rare & Soulful: »Rare Grooves Reggae« (Nova/Ixthuluh) , »Impact!« (Soul Jazz/Hoanzl), Soul Defenders: »At Studio One« (Heartbeat/Ixthuluh), Jackie Mittoo: »Champion In The Arena 1976 – 1977« (Der Studio-One-Keyboard-Zauberer als elektronischer Funk-Reggae-Visionär, inklusive abgespacter Dubs)
c) Black Atlantic: »Nice Up The Dance. Two Worlds Clash« (Reggae meets HipHop, Soul Jazz/Hoanzl), »Hustle! Reggae Disco« (Reggae goes Disco, Soul Jazz/Hoanzl), Bullwackies All Stars plus New Breed Band: »Natures Dub«, Roots Underground: »Tribesman Dubwise Assault« (Unglaublicher Hardcore-Stuff des Studiokollektives um Bullwackie, Prince Douglas und Reckless Breed aus den tiefsten Black-Atlantic-70er-Underground-Sphären.)

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Text
Didi Neidhart

Veröffentlichung
27.09.2003

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