Sex im Gebirge!

»Eventuell, eventuell,
führ ich Dich heute aus
[lalalalalala; 6x]??
Eventuell, eventuell,
bring ich Dich hinterher nach Haus
[lalalalalalalala; 8x]« ??
(Heinz Gietz/Kurt Feltz)

»Don't worry!
Ski Happy!«
(Rainer Schönfelder)

Let them entertain you!
Hat nicht jüngst der über allen Gesangskünsten erhabene Thomas Quasthoff anlässlich seines Crossover-Projekts »The Jazz Album – Watch What Happens« (2007) die musikalischen Qualitäten Caterina Valentes über die Ma&szligen gelobt? Ja, hat er  ?? und vollkommen zu Recht. Gegen die gro&szligen Bossa Novas der Universalartistin Valente wirken auch heute noch so manche MusikerInnen wie ein billiger Abklatsch einer gro&szligen Ära. Und hat Rudolf Buchbinder nicht anlässlich des Todes von Peter Alexander seinen Freund als »hochintelligenten Musiker« bezeichnet mit dem man von Richard Wagner bis Robert Schuhmann fachsimpeln konnte? Ja, hat er ?? und in den Pausen zu seiner Show soll der Meister Peter auch oft am Piano Jazzimprovisationen gespielt haben. Hat es angesichts des musikalischen Verfalls im Rahmen von Casting Shows also nicht wirklich etwas für sich, auf die gro&szligen musikalischen Leistungen des klassischen Entertainments zurückzugreifen? Ja, hat es ?? unbedingt. Weshalb »Eventuell« von Caterina Valente und Peter Alexander soeben von dem Bandprojekt SoXine gecovert wurde, das damit auch Rainer Schöni Schönfelder featured.

Jazz in den Bergen
Als Paul Martin, der Regisseur des Films »Liebe, Tanz und Tausend Schlager«, Mitte der Fünfziger des letzten Jahrhunderts eine Jazz Big Band auf der Alm platzierte, um mit Caterina und Peter »Eventuell« in Szene zu setzen, dürfte es ihm durchaus um ein kulturelles und musikalisches Crossover gegangen sein. Hatte man denn davor schon in den (filmischen) Alpen einen Jazzbesen, eine Halbakustische und ein Saxophon samt Brass-Ensemble erlebt? Da gab es doch nur Pauken und Trompeten? Mit Caterina und Peter verschlug es aber die (schwarze) Tanzmusik in die Berge. Dabei war der Plot des Films ganz einfach und doch bezeichnend: Peter spielte Peter und Caterina spielte Caterina. Ersterer war schon ein berühmter Mann. Sie auf dem Weg zur gro&szligen Karriere.

Da sein Manager aber keine Frauen an den (Gei&szligen-)Peter heranlie&szlig, musste sich Caterina als vierzehnjähriges (Heidi-)Wunderkind verkleiden, um ihm nahe zu sein. Am Ende wird sie schnell erwachsen, Karriere glückt, Happy End und (filmischer) Schluss ?? Uneinholbar ist »Eventuell« also heute noch durch die keuschen Zöpfe und Mascherln sowie das wahnwitzig karierte Kleid der zugeknöpften Caterina und die modischen (Haus-)Halbschuhe von Peter, der sich natürlich nach allen Frauen umsieht, nur (scheinbar) nicht nach ihr. Und gerade deshalb ist »Eventuell« lange vor dem Mai 1968 aufgeladen mit dem permanent belauschenden Mond der Sexualität. Enzianrupfen mit Bläserattacken ist angesagt: Er liebt mich, er liebt mich nicht ??

In aller (scheinbaren) Naivität des Schlagers geht es bei »Eventuell« also auch um Spiralen des Verbotenen und um Grenzen der Verführung. Denn lange vor Britney Spears setzt »Eventuell« auch und gerade Figurationen der Pädophilie in Szene: Peter und Caterina drehen und synkopieren sich, sie lehnen ab und nehmen auf, weil sie ja (noch) nicht dürfen. Sie geben einen erotischen Reigen der alpinen Eifersucht, der von den verstockten sozialen Begrenzungen der Fünfzigerjahre abgesteckt und doch durch den Jazz als sexualisierendem Background aufgebrochen und bewegt wird. Denn im Grunde ist bei der ganzen Sache gar nichts »Eventuell«. Es ist ja vollkommen klar, was Peter mit Caterina macht, wenn er sie hinterher – also nach »The End« – eben nicht nach Hause bringt. Er ist eben doch hinter ihr her!

Und Peter singt für Caterina ?? und sie ?? am Ende dann ganz happy. Was ist mithin ein Hit, ein Schlager oder ein Popsong? Die Antwort ist eventuell: »Hit me baby one more time!«

HipHop im Bellaria
Dass nunmehr der medaillenbehangene Rainer ??Schöni?? Schönfelder buchstäblich auf die Piste springt und in der Spur bleibt, wenn er gemeinsam mit SoXine im Sinne eines Entertainment-Slaloms den Schlager »Eventuell« an den Start bringt, wird Teil alpenrepublikanischer Sport- und Musikgeschichte gewesen sein. Die exklusive Premiere des Videos fand überaus passend im Wiener Bellaria-Kino statt, das per se für die innere Logik vergangener deutschsprachiger Filmoriginale steht und zudem 2011 seinen Hunderter feierte. Und wer könnte denn besser die Alpensex-Aura von »Eventuell« in die Gegenwart übertragen als ein hochgradig selbstironischer österreichischer Top-Skifahrer, der sich zu diesem Zweck in den Smoking wirft, um an der leidenden SoXine im Dirndl popkulturell die Sexualität des 21. Jahrhunderts im Rückgriff auf die Fünfziger des 20. ins Ziel zu bringen?

Und so wirbt der ??Schöni??  im Einkehrschwung um die Gunst der Frauen und wartet (scheinbar) immer noch darauf, dass Caterina SoXine endlich achtzehn wird. Aber die hat sich, wie wir schon seit gut sechzig Jahren wissen, mit dem Dirndl nur verkleidet. Und während die beiden sich umgarnen werden sie von Blumen, Mikrofonen und Kochlöffeln umspielt, die für die Liebe, die Popkultur und ein abgeschmacktes Frauenbild stehen, das sich vielleicht gar nicht so geändert hat. Und das alles unter den Augen der Regisseurin Pamela Bartar, die durch Kaleidoskop und Kamera den ?berblick bewahrt. Diesmal ist es aber weniger der klassische Jazz als vielmehr ein HipHop-Drumbeat und Technomelodien, die mit E-Gitarren-Unterstützung den Klassiker umspielen und dabei erneut den Alpensex auf den G-Punkt bringen.

Und fesch sind die zwei in dem Video, das sie auf eben jenen Stühlen eines Filmsets zeigt, auf denen schon Caterina Peter liebte, der – so wie ??Schöni?? heute – nicht durfte. Ein Film im Film, ein Video im Video ?? So fesch sind die zwei, dass sie einem rot-wei&szlig-roten Tourismuskatalog entsprungen sein könnten, in dem es – ganz eventuell und sexuell betrachtet – ja immer auch um Werbung geht. Um Üsterreichwerbung eben auch: Denn von Peter Alexander über Falco und von Reinhard Fendrich bis Rainer Schönfelder gilt auf unseren Gletschern eben: »I am from Austria!«

Und ??Schöni?? singt für SoXine ?? and she/ski? ?? am Ende dann ganz happy. Was ist mithin ein Hit, ein Schlager oder ein Popsong? Die Antwort ist eventuell: »Don’t worry! Geh‘ Schifoan!«  

Home / Musik / Artikel

Text
Alessandro Barberi

Veröffentlichung
10.01.2012

Schlagwörter

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