»Hommage à John F.« (2018) © Nieuw NDG, Foto: Darija Cikač & Neven Muretić; Grafik Design: Martinee
»Hommage à John F.« (2018) © Nieuw NDG, Foto: Darija Cikač & Neven Muretić; Grafik Design: Martinee

Salon skug mit Iv/An

skug präsentiert Ivan Antunovic aka Iv/An live am 27. Mai 2018 zum Auftakt von Salon skug im Central Garden am Donaukanal. Vor vier Jahren widmete Michael Giebl dem kroatischen Ausnahmekünstler bereits ein umfangreiches Porträt in der Printausgabe von skug #99, das wir an dieser Stelle online erneut veröffentlichen.

Seit Mitte der 1990er-Jahre ist Ivan Antunovic ein wichtiger Akteur der kroatischen DIY-Musik und Designszene. Im Rahmen des »MQ Summer of Sounds« gastierte er als Artist in Residence im quartier 21 in Wien und präsentierte seine Arbeiten in Form einer Ausstellung, einer Vortragsreihe und mehrerer Konzerte, u. a. am 10. Juli 2014 bei Salon skug extended im rhiz. Michael Giebl verfasste damals ein umfangreiches Porträt des Künstlers, das in der Printausgabe von skug #99 erschien und das wir an dieser Stelle online erneut veröffentlichen. 2018 erschien außerdem »Comforts of the Future«, das zweite Album von Ivan Antunovic unter seinem eigenen Namen Iv/An. Umso mehr freuen wir uns, das Ausnahmetalent live erneut präsentieren zu dürfen – bei Salon skug im Central Garden am Sonntag, dem 27. Mai 2018, um 20:00 Uhr.

»Split Personalities« aus der Serie »Raw Files« (2012) © Nieuw NDG, Foto: Darija Cikač & Neven Muretić

Halbes Gesamtkunstwerk
Das Fragment ist das wiederkehrende Motiv in Ivan Antunovics Präzisionsarbeiten in Bild und Ton. An ihren Bruchstellen öffnet sich seine formalistische Konzeptkunst einer Welt der Unvollkommenheiten und des Pop.

Ivan Antunovic inszeniert sich als gespaltene Persönlichkeit: Seine Homerecording-Labels nennt er 0.5 und Half Releases, eines seiner zentralen Musikprojekte heißt I/II, 1/2, oder Split Personalities. Aufgewachsen mit dem Einheitsanspruch eines zerbrochenen Jugoslawiens und der darin eingemeindeten Pluralität, sah er sich später mit den Glücksverheißungen eines ungebremsten Warenfetischismus konfrontiert. Als Grafikdesigner bestreitet er heute seinen Lebensunterhalt innerhalb der Strukturen dieses marktorientierten, neuen Kroatiens, und als Musiker und bildender Künstler zehrt er noch häufig vom geistigen Erbe der ehemaligen Föderation: »Jugoslawiens reicher multikultureller Hintergrund spiegelte sich in vielen Bereichen wider, nicht nur in der Musik – und wurde positiv wahrgenommen. Wie so mancher teile auch ich die Nostalgie für gewisse Aspekte dieser Zeit, sei es Musik, Film, die Kinderprogramme im Fernsehen, Unterhaltungs- und Quizshows oder Bildungsformate«. Dabei wirkt Antunovics Kunst so wenig sentimental oder belehrend wie ein Stück Literatur von Franz Kafka. Sie trägt sich mit Inhalten, nicht aber mit Lehrsätzen: »Ich bevorzuge die Allegorie gegenüber konkreter Bedeutung«.

Geschichte aus dem Baukasten
Antunovics Allegorien sind hochgradig ambivalent. »People You May Know« (2011) titelt eine Druckserie aus vier Decollagen, erstmals erschienen im Artwork zu seinem unter dem Namen Umrijeti Za Strojem veröffentlichten Minialbum »Pogled U Nefašizam« (»Einführung in das nicht-faschistische Leben« nach Michel Foucault). Sie bilden Antunovics simplen wie wirkungsvollen Kommentar zur Personifizierung von Politik und Geschichte ab. Die auseinandergerissenen und in ihren Abrissen übereinandergelegten Porträts von Adolf Hitler, Josef Stalin und Pol Pot (Decollage #1), Josip Broz Tito, Draža Mihajlović und Ante Pavelić (Decollage #2), Franjo Tuđman, Slobodan Milošević und Alija Izetbegović (Decollage #3) sowie von George W. Bush, Saddam Hussein, Vladimir Putin und Kim Jong-Il (Decollage #4) ergeben die medialen Frankenstein-Monster unserer Zeit. Irgendwo unter den Überlagerungen blitzt ein Stück blanken Schädels hervor, stellvertretend für all die Namenlosen unter diesen Regimen. Die historischen »Hauptdarsteller« selbst werden zu Fragmenten eines diffusen Gesamtbildes, das uns abstoßend vertraut und irritierend fremd vorkommt. So auch jenes auf den Plakatarbeiten »Mutations #1« und »Mutations #2« aus dem Jahr 2012, für die die runden Körper aus dem schillernden Walt-Disney-Universum in ihre einzelnen Gliedmaßen zerlegt und zu vollkommen dysfunktionalen Organismen umgeformt wurden. Face-Off der Fiktionen – vom Totalitarismus zum Pop zieht sich eine gemeinsame Linie der Ästhetisierung: »Die Ausrichtung der Realität auf die Massen und der Massen auf sie ist ein Vorgang von unbegrenzter Tragweite sowohl für das Denken wie für die Anschauung« (Walter Benjamin: »Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit«).

»People You May Know« (2011) © Nieuw NDG

O-Ton und Zitat
Die Stringenz in Antunovics Arbeiten, vom visuellen über den haptischen bis hin zum musikalischen Ausdruck, beruht in deren Minimalismus, dem hohen Abstraktionsgrad und ihrer konzeptuell verfolgten Simplizität. Es überwiegen klare Formen, wiederkehrende Motive, formale Trennungen, monochrome Farben, puristische Materialien und strenge Geometrien. Die Brücke zwischen Betrachter und hermetisch abgeriegeltem Gesamtkunstwerk aber schlägt Antunovics lebhafte Liebe zum Pop – und dessen Freude am Zitat. Mit ihr steht er wahrnehmbar in der Tradition von Designern wie Peter Saville, Neville Brody oder Bruce Licher, die Avantgarde-Ästhetik à la Bauhaus, De Stijl und Futurismus auf die Plattencover von New Order, Cabaret Voltaire und Savage Republic übersetzt haben. Und während sich Antunovics Musikproduktion von Tape-Dub in Richtung Synthesizer-Emulator und Bit-Musik (als Pixel-Avatar Valter Horvat) entwickelt hat, dringt sein Stimmumfang (als ungefilterter I/II oder Umrijeti Za Strojem) beständig wachsend in die beseelten Sphären seiner 1980er-Popidole vor: Annie Lennox, Grace Jones, Frank Tovey, Billy MacKenzie (Associates), Paul Haig (Josef K) und Bill Nelson. Von Insidern ob seiner zahlreichen musikalischen Soloprojekte und deren autonomer Produktion augenzwinkernd als »Ein-Mann-Szene« Zagrebs bezeichnet, bleibt Ivan Antunovic indes alles andere als in Rückblick auf Vorbilder und Isolation in Selbstreferenz stehen.

Vom Teilen und Vermehren
»Small Doses« ist Antunovics Serie unregelmäßig erscheinender Periodika (beziehungsweise Fanzines), die seine persönliche Auseinandersetzung mit zeitgenössischen und historischen Inspirationsquellen dokumentiert. In Essays und Interviews behandelt er Entdeckungen aus den Bereichen Musik, Literatur, Film, Mode und Design – frei von Berechnung hinsichtlich Reichweite und medialer Aktualität seiner limitierten Mini-Edition. So findet Heinrich Deisls Popkultur-Buch »Im Puls der Nacht« Platz neben einem Essay über das Format Coversong anhand von »Warm Leatherette« und einem Artikel zum »Zagreb Jewish Film Festival«. Die in Miniauflage gedruckten »Small Doses« sind kleine Dosierungen erweiterter Subkultur, analog und digital eingespeist in ein internationales Netzwerk, bestehend aus Freunden und Abonnenten. Besondere Sorgfalt gilt der materiellen Gestaltung der Publikation, die neben einer digitalen Blog-Variante hauptsächlich auf wechselndem Papier und in alternierendem Layout für den Versand via Post konzipiert ist. »Small Doses« sind Antunovics Wissensmultiplikatoren, die fragmentarisch beleuchten, wovon das »halbe Gesamtkunstwerk« lebt: eine endlose und unvollkommene Welt der Inspiration.

Interview mit Ivan Antunovic (in Englisch) auf http://repartiseraren.se/2014/05/22/

Musik: http://innumerals.bandcamp.com
Zine: http://halfreleases.wordpress.com
Design: http://nieuwndg.wordpress.com

Home / Musik / Artikel

Text
Michael Giebl, Redaktion

Veröffentlichung
18.05.2018

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