Gran Bankrott © David Višnjić
Gran Bankrott © David Višnjić

Salon skug mit Gran Bankrott und »Volksstimme« Talk

Der Sommer der Sensatiönchen geht weiter. Nach dem großen BAM!-Fest ist skug zurück im Central Garden mit gewohnt ungewohnt guter Musik und dem nächsten schlauen Talk mit unseren geschätzten BAM-Kolleg*innen – diesmal von der »Volksstimme«. Wir fragen uns gemeinsam, was mit Pop’n’politics gerade abgeht.

Es ist ja nicht so, dass über Popkultur nicht geredet würde. Die letzten Jahre brachten ihre periodischen Aufregerl. Plötzlich stand mal ein HipHoper, mal ein Volksmusikant oder mal eine Punk-Combo im gleißenden Licht der Öffentlichkeit und alle haben kurz losgeschnattert. Nur, Diskurs ist das irgendwie nicht. Das ist Aufregungseruption, wie sie eine heißgelaufene Medienmaschine braucht, die nicht einmal mehr weiß, warum Kulturindustrie Gefahr läuft, Kunst unmöglich zu machen. Kulturelle Verflachung besteht aus den zwei Seiten einer Medaille: Explosion und Amnesie. Eine Woche lang macht sich ganz Deutschland Sorgen um »seinen« Deutschrap und nächste Woche ist der bekloppte Kram komplett vergessen, der ohnehin niemanden wirklich interessiert hat. Auf diese Weise verlottern Gesellschaften, denn ohne die kontinuierliche und sorgfältige Auseinandersetzung mit den verschiedenen Phänomenen der Kunst und Kultur wird unsichtbar, was gerade gespielt wird. Denn Kunst – in welcher Form und Gattung auch immer – kann Verhältnisse sichtbar machen. Dazu muss sie allerdings diskursiv entschlüsselt werden. Sprich, alle (Künstler*innen, Rezipient*innen und Kritiker*innen) haben was zu tun bei der Mammutaufgabe des Sichtbarmachens gesellschaftlicher Verhältnisse.

Politik ist nicht Pop
Allerdings, an der Unsichtbarkeit haben viele ein (monetäres) Interesse. Weite Teile von Wirtschaft und Politik beispielsweise. Wer Industrieprodukte verhökert, braucht die Amnesie der Kund*innen. Jede*r kennt dies aus täglicher gesellschaftlicher Praxis. Wenn der Kleiderschrank überquillt, heißt es bloß nicht nachschauen warum, besser gleich in den Shop gehen und sich was Neues kaufen. Ist doch logisch, jede Reflexion ist ein Konsumhindernis. Zu rufen: »Hey Teenie, schon mal darüber nachgedacht, warum alle Dinge, die du begehren sollst, käufliche Produkte sind? Irgendwie schräg, oder?« gefährdet den Kaufrausch. (Statt Rausch wäre es übrigens richtiger zu sagen Taumel, denn aus dem Rausch können Erkenntnisse erwachsen, aus dem ununterbrochenen Taumel aber nicht.) Die Politik hat sich diese Masche ununterbrochener Besinnungslosigkeit längst angeeignet. Der österreichische Bundeskanzler auf Lebenszeit in spe, Sebastian Kurz, hat es nicht mehr nötig, im Nationalrat aufzutauchen. Er macht lieber eine Fototournee durch die Welt und plappert bei seinen Auftritten Überschriften-Collagen runter. Das ist viel effizienter als Parlamentsdebatten und somit Diskurs mit Menschen, die politisch anderer Meinung sind. Der Effekt dieser Masche, bei der die meisten Medien willfährig mitmachen, lässt sich so fassen: »Geh schau, der Kurz bei der Merkel, in Berlin scheint auch die Sonne … was hat er gesagt?« Der Erfolg gibt Kurz zwar nicht Recht, erlaubt ihm aber dennoch, uns zu regieren, eben weil seine Masche populär ist. Allerdings ist dies kein Pop. Es ist das Gegenteil von Kunst, denn was Kurz macht, ist demagogische Täuschung, die jede Reflexion durch kurzatmiges Ereignisbombardement verunmöglichen soll.

skug und unsere lieben Kolleg*innen von der »Volksstimme« erkennen faule Äpfel, wenn man sie ihnen unter die Nase hält, und deswegen haben wir eine Gruppe von Autor*innen zusammengetrommelt, die versuchen, aufzuzeigen, warum Musik und Politik ein gewundenes Verhältnis haben, das jederzeit kritisch reflektiert werden sollte. Bis zum Talk am 21. Juli veröffentlichen wir auf skug.at und in der aktuellen »Volksstimme«-Ausgabe Diskussionsbeiträge unter anderem von Didi Neidhart, Peter Kaiser und Frank Jödicke, damit sich das geschätzte Publikum gut vorbereitet in den Salon begeben kann. Was bei diesen Texten deutlich werden könnte? Zumindest eines: skug (z. B.) versucht mit dem ihm gegebenen Mittel, kontinuierlich an der Riesenaufgabe weiterzuwerkeln, einen erhellenden Diskurs zu führen. Denn wenn auch Politik kein Pop sein kann, dann ist doch Pop immer Politik. Haltungen, Sichtweisen und sogar zuweilen Einsichten artikulieren sich in der Kunst, diese sollten ausgelesen, zerpflückt und interpretiert werden, weil wir sonst alle im dumpfen Dunkel einer Beeinflussungsmaschinerie aus Politik und Industrie zu darben haben. Da machen wir lieber nicht mit.

Endlich Bankrott!
Wo wir aber sofort vorne mit dabei sind, sind Bankrotterklärungen aller Art. Gran Bankrott zeigt in seiner aktuellen und paradigmatischen Musiknummer mit erklärendem Begleitvideo, wie geil das alles ist. Nämlich die Sache mit der Kohle, den supremigen Marken und überhaupt, wenn man mal die selbstgemalten Geldscheinchen flattern lassen kann. Genau das brauchen unsere geschundenen Prekariatsseelen: Die Ermächtigungsfantasie, endlich mal »on top« zu sein und die Schampuskorken knallen zu lassen. Achtung: Henkell Trocken beim Euro-Spar jetzt für nur € 3,99! [Unbezahlte Anzeige]. Ganz klar und keine Frage, das Konzert von Gran Bankrott werden all jene nicht vergessen, die sich am nächsten Tag noch dran erinnern können. Vage merken wir beim Lauschen, während uns das Geld aus dem Hals hängt, dass diese feinen Computertöne uns an die Stirn tippen und sagen: Hörst du den distorteten Ruf des Gran nicht? Irgendwas läuft hier nämlich komplett falsch. Wir befinden uns in einer engen Echokammer, einem Raum ohne Fenster, in dem dauernd was auf die Fliesen knallt und unangenehm scheppert. Aber wenigstens lässt sich daraus Musik machen, die wirklich klasse ist. Am 21. Juli ab 18:00 Uhr herrscht also wieder (aus verschiedenen Gründen) Anwesenheitspflicht im Central Garden am Donaukanal. Wir freuen uns auf euch.

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