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Various Artists

Populäre jüdische Künstler Wien 1903-1936, Berlin, Hamburg, München 1903-1933

Trikont

Rassisten unterscheiden nicht zwischen assimilierten Staatsbürgern und nicht assimilierten. Deshalb wurden selbst KünstlerInnen, die sich großteils als Deutsche und Österreicher verstanden, im Nazireich gnadenlos verfolgt, vertrieben oder getötet. Auch wenn sie das urbane Liedgut immens bereicherten. Also war die Auslöschung des Judentums gleichzusetzen mit der Vernichtung deutschsprachiger Kultur, die aber ohne die Schaffenskraft jüdischer KünstlerInnen nicht denkbar ist. Trikont erinnert mit drei CDs, die im Untertitel »Musik & Entertainment« die Aufnahmejahre angefügt bekommen, an deren fruchtbaren Einfluss. Dass sich die populären jüdischen KünstlerInnen bestens in die regionalen Kulturen eingelebt haben, sei aus Platzgründen nur am Beispiel Wien kurz angerissen. Wer Talent hatte, schaffte es spielend aus dem Beinahe-Ghetto Leopoldstadt hinauszukommen. Karl Farkas und Fritz Grünbaum sind heute noch bekannte Kabarettisten, und auch die hinterfotzigen Couplets von Franz Engel scheinen nicht vergessen. Im »Erlebnis bei meinem Friseur« und in »Man soll mit Pollacks nicht verkehren« entlarvt er, dass selbst in wohlwollenden Wienern ein Antisemit oder Ausländerfeind haust. Der unvergleichliche Hermann Leopoldi singt mit der jungen Russin Betja Milskaja gar herrrliche Duette (»Alois«, »Frauen sind zum Küssen da«) und einige aus Galizien zugewanderte Frauen mehr (Fritzi Massary, Franziska Gaal, Gisela Werbezirk, Josma Selim) etablierten sich mit frivolem Liedgut. Auch der als Kritiker gefürchtete Karl Kraus darf nicht fehlen: Sein einen Wiener Polizeipräsidenten verbal vernichtendes »Schoberlied« (1929) ist wohl ewig gültig. Denn ein sich nur auf die Pflicht Berufen führt nach wie vor allzu oft zur Verachtung des menschlichen Lebens.

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Text
Alfred Pranzl

Veröffentlichung
30.11.2001

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