Nella Lenoir © Johann Redl
Nella Lenoir © Johann Redl

O-Sounds mit Nella Lenoir

skug veröffentlicht in Kooperation mit Radio Orange 94.0 und Res.Radio eine »Nachlese« der O-Sounds Live-Sessions inklusive Interview und Videopremiere des Auftritts von Nella Lenoir vom 18. September 2022.

Marion Ludwig aka Nella Lenoir schafft es durch ihre Musik, die*den Hörer*in auf den Mond zu beamen und gleichzeitig tief in sich hineinschauen zu lassen. Dazu trägt die Wiener Musikerin Rollkragenpullover und goldene Casios und veranlasst zwischen Fassaden und tickenden Uhren, verträumt in die Ruhe zu lauschen. Die ursprünglich aus Freiburg stammende Künstlerin erweckt durch ein fein geknüpftes Netz aus intelligenten Texten und melodischen Synth-Sounds eine Sehnsucht, die genauso aufdringlich wie geduldig an die Tür klopft. Wieso sie ihr Alter Ego Nella Lenoir erst in Wien richtig zum Leben erweckte und was das mit ihrer »connecting bubble« zu tun hatte, erzählte Marion Ludwig für O-sounds im Interview mit Johann Redl.

O-Sounds: Du bist vor gar nicht so langer Zeit nach Wien gezogen. Wie lange ist das her?

Marion Ludwig: Inzwischen eineinhalb Jahre! Das war letztes Jahr im Mai.

Ursprünglich kommst du aus Freiburg, hast dann aber in Berlin und Leipzig gelebt. Wie war das für dich, als du nach Wien gekommen bist? Hast du gleich gewusst, du wirst Musik machen? 

Ich wusste schon, dass ich in Wien Musik machen werde und will. Das Projekt Nella Lenoir habe ich Ende 2019 ins Leben gerufen. Dann kam das Corona-Jahr. Da wusste ich schon, dass ich nicht länger in Leipzig bleiben werde. Daraus folgend musste Wien der Platz dafür werden! Und ich glaube, ich habe wirklich Glück gehabt, gute Menschen kennenzulernen. Denn ich bin recht schnell in eine Blase gekommen, die sehr fair und sehr connecting ist. Nachdem das sowieso meine Werte sind, habe ich mich recht schnell wie ein Fisch im Wasser gefühlt. Ich bin der Meinung: Wenn ein Mensch weiß, was er möchte, dann werden sich seine Wege schon bahnen. So war das bei mir: Ich wusste ungefähr, was ich will, und hatte Vertrauen in den Fluss!

Du bist nach Wien gekommen und hast gewusst, du wirst jetzt Nella Lenoir?

Also ich war’s schon davor, aber ich wusste, hier will ich mich zeigen. In Wien wurde mir klar, ich bin bereit, es der Welt zu offenbaren.

Nella Lenoir als eine eigene Persönlichkeit oder Rolle? Dein Auftritt hat ja etwas sehr Theatralisches. Das beginnt schon beim Outfit und deinem Rollkragenpullover!

Ich glaube, es ist nicht die Entwicklung einer Persönlichkeit, sondern ein Anteil von mir, der immer schon da war. Menschen, die mich gut kennen, sagen mir auch eine theatrale Ader nach. Deswegen ist das gar nichts Erfundenes, sondern etwas sehr Natürliches. Aber für diesen Anteil bietet sich eine Bühne einfach besser an als das »Normalleben«. Und Rollkragenpullis habe ich schon immer gern getragen, weil sie für mich nicht nur ästhetisch, sondern auch wortwörtlich anziehend sind! Sie symbolisieren das Angezogene, aber haben gleichzeitiges auch etwas sehr Nacktes.

Spiegelt das auch deine Musik wider? In deinem Album »eyeliner & turtlenecks« sprichst du auch in den Texten oft solche Künstler*innenklischees an. Wie ernst meinst du das?

Gute Frage. Ich will niemanden ins Lächerliche ziehen. Grundsätzlich komme ich nicht gut mit elitären Codes zurecht. Und somit sind diese Texte natürlich schon ein Stück weit ein Spiel damit. Denn ich bin der Meinung, dass man sich selbst nicht allzu ernst nehmen sollte. Zumindest versuche ich das so zu handhaben. Mein Rollkragen ist aber genauso auch ein Zeichen für meine Introversion, denn ich habe auch sehr introvertierte Modi.

Hat dir das auch ein bisschen geholfen in Wien eine bubble zu finden? Du bist in Wien gleich in den 8. Bezirk gezogen. Dieses Outfit verbinde ich auch mit dem 8. Bezirk und seinen Theatern.

Ich komme ja auch aus dem Theaterkontext und picke mir immer das heraus, mit dem ich räsoniere. Und wenn ich mit etwas räsoniere, dann passt es wie angegossen. Und ähnlich war es auch beim 8. Bezirk!

Also gefällt er dir?

Jetzt muss ich ein bisschen ausholen: Man muss wissen, dass ich in Berlin und Leipzig so roughe Orte direkt vor der Nase hatte. Deswegen war das für mich jetzt einmal so eine schöne Abwechslung. Der 8. ist aufgeräumt und es laufen keine weirden Leute herum. Ich fühle mich sehr sicher in meinem Rollkragenpulli, haha!

Zu deinen ersten Begegnungen mit Wiens Musikszene: Was ist dir als erstes aufgefallen?

Das Radio Orange! Mit dem habe ich mich sogar aus Leipzig heraus noch connected. Und zwar mit dem Pawel, welcher mich dann an den Christoph Benkeser weitervermittelt hat. Und dann war Christoph, was die Musikszene anbelangt, schon ein sehr wichtiger Knotenpunkt. Ich war das erste Mal als Nella Lenoir in seiner Sendung »Grundrauschen«. Da war ich erst drei Monate in Wien!

Man muss dazu sagen, dass Christoph mir auch deine Musik geschickt hat und meinte: Hey, diese Person ist neu und kennt noch nicht viele Leute. Vielleicht habt ihr Lust, etwas zu machen! Und jetzt sind wir eineinhalb Jahre später hier gelandet!

Ich kann so etwas einfach sehr wertschätzen. Das ist auch, was ich mit dieser »connecting bubble« meinte. Ich hatte bis jetzt das Glück, Menschen kennenzulernen, die untereinander sehr gut vernetzt sind, aber das auch sehr gerne teilen wollen. Das steckt an! Und ich bin generell kein kompetitiver Mensch, sondern eher ein connecting Mensch.

Was haben Leute davon, solche Dinge zu teilen und zu connecten? 

Wenn du mir diese Frage stellen würdest, dann wäre die Antwort einfach: Ich habe Vertrauen in etwas und dieses Vertrauen potenziert sich, wenn man es teilt. Es steckt an. Ich finde, es ist schon genug, wenn man es in diesem Leben schafft, so zu handeln.

Und du kommst ja jetzt selbst in eine Rolle, andere Musiker*innen zu supporten! Das wissen jetzt nicht alle, aber die Hörer*innen vom Radio Orange ganz sicher: Du bist ja sehr bald in Wien auch dem »Grundrauschen«-Team beigetreten.

Und es fühlt sich so sinnvoll und richtig an: Es geht nicht um Konkurrenz, sondern dieses Connecten! Menschen haben mehr davon, wenn sie sich unterstützen.

Hast du dahingehend auch schon negative Erfahrungen gemacht? 

Ich glaube, jeder Mensch kennt in seinem Leben Bereiche, wo Konkurrenz ein Thema ist. Das fängt in der Schule, oder vielleicht sogar schon im Kindergarten an. Wenn einem das erste Mal bewusst wird, dass andere was anderes machen, und man sich fragt: Ist das richtig, was ich tue, oder nicht? Ich kenne diese Form von Konkurrenz weniger. Aber ich kenne Vergleiche, denn ich bin auch ein sehr selbstkritischer Mensch.

Ein Kulturverein, der auch in dieser Sendung immer wieder Erwähnung findet, ist Grrrls aus Graz. Auch du bist vor Kurzem durch diese connection in Graz aufgetreten! Du meintest, das sei eine ganz tolle Erfahrung für dich gewesen, die dir auch neue Visionen für deine Musik gegebene hätte.

Nella Lenoir ist ja im Corona-Jahr entstanden. Das heißt, Auftritte waren jetzt nicht unbedingt im Vordergrund. Die Show im Lesliehof in Graz war somit einer meiner ersten wirklichen Auftritte vor Publikum, auf einer wunderschönen Bühne und in einem tollen Ambiente: Wunderschöne Rundbögen und der freie Himmel über mir! Da hatte ich das Gefühl, mich das erste Mal so wirklich auf der Bühne ausgedrückt zu haben. So wie ich das auch für mich als Nella Lenoir im Konzept sehe. In Texten kommen diese Themen ja schon vor: Fassaden, Masken. Aber auch dadurch, dass ich mich nicht unbedingt nur als Musikerin frame, ist es cool, wenn performative oder theatrale Aspekte mit hineinkommen können. Deswegen dachte ich mir in Graz: That’s the way I wanna go!

Du hast ja auch ein Manifest geschrieben, oder?

Das Manifest ist noch nicht festgeschrieben, haha. Aber es ist etwas, das ich mir überlegt habe. Ein Manifest zu schreiben, was diese Nella Lenoir ist, macht, tut, will.

Du fährst ja jetzt bald nach Berlin und arbeitest da tatsächlich bei einem Theater mit. Was machst du da? Und kannst du etwas über das Stück verraten? 

Ich mache Musik! Und was das Stück betrifft, habe ich noch nicht die aktuelle Fassung, aber grobe Information darüber. Die Geschichte dahinter ist aber sehr schön: Als ich noch in Berlin gelebt und Theaterwissenschaften studiert habe, bin ich ans Maxim Gorki Theater gekommen und habe die Regisseurin von dem jetzigen Stück kennengelernt. Sie wusste also, dass ich Musik mache, und fand es passend zu ihrem Stück. Die Geschichte handelt von Geschlechterrollen, von Mehrsprachigkeit und wie sich das gegenseitig bedingt. Inspiriert wird das Ganze von der Sage vom Turmbau zu Babel und das Bühnenbild wird an Elemente der Bauhaus-Architektur angelehnt sein, um so noch mehr Bewegung hineinzubringen.

Hast du für die Musik eine konkrete Idee oder machst du das dann, wenn du dort bist?

Ich habe sie gefragt, welche Tracks ihr besonders gut gefallen, damit ich einen Grund-Vibe bekomme. Darauf aufbauend gibt es grobe Skizzen. Aber das ist auch das Schöne an der Arbeit: Wenn ich dann dort bin, werde ich auch schaffen. Also werde ich im Kontext mit anderen Künsten und vor Ort etwas entstehen lassen.

Das ist ja auch was Neues für dich, nachdem du ja immer auf der Bühne stehst.

Ja, Nella Lenoir war immer ein One-Woman-Project. Und jetzt werde ich in etwas Gemeinsames eingefädelt. Das ist wunderschön!

Gibt es Termine für das Stück?

Alle Wiener*innen, die zufällig in Berlin sein sollten, können sich das ganze am 28./29./30. Oktober 2022 im Theaterdiscounter anschauen!

Die ganze Folge gibt es bei Res.Radio zum Nachhören:

Die Live-Sessions von O-Sounds sind gefördert durch die Stadt Wien Kultur (MA7) und die SKE der Austro Mechana. Die nächste Sendung mit Hyeji Nam wird am 16. Oktober 2022 um 19:00 Uhr auf Radio Orange 94.0 ausgestrahlt. Dafür verlost O-Sounds 1 x 2 Gäst*innenplätze, schickt einfach ein E-Mail mit Betreff »Gäst*innenplätze« bis 13. Oktober 2022 an osounds940@gmail.com. Vergangene Folgen finden sich auch online im Cultural Broadcasting Archive.

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