Der, zumeist im geologischen Zusammenhang verwendete, und einen Gleichgewichtszustand beschreibende Begriff der »Isostasie« ist der Titel von Natasha Barrets drittem Album, auf dem die Komponistin und Sound-Ökologin verschiedene lokale Naturphänomene, wie die Mitternachtssonne oder »Roten Schnee« mittels elektroakustischer Klangforschungen abstrakt umreißt. Die zehn glasklaren, kalten Impressionen aus ihrer Wahlheimat Norwegen, durchwegs spannend und mit einer ausgeprägten Liebe zum Detail gestaltet, fegen wie ein eisiger Nordwind aus den Boxen und kristallisieren zu glitzernden Klangskulpuren voll gespenstischer Schönheit.
Noch ein wenig abstrakter kommt das Album des belgischen Komponisten Stephan Dunkelman daher. Seine nicht nur für Konzerte, sondern auch für Ausstellungen und Tanzaufführungen komponierten Stücke spielen gekonnt mit Musik im Raum/Zeit-Kontext, sowie laut/leise-Kontrasten. Die zu Beginn etwas diffus anmutenden Soundscapes geraten mit zunehmender Spieldauer zu einem durchaus hörenswerten Ganzen, in dem sich die verschiedenen Geräusche tatsächlich wie »Rhizome« (dieser ursprünglich aus der Botanik stammende Begriff wurde von Deleuze und Guattari als Metapher für Hypertextualität verwendet) von den Spitzen weg in verschiedenste Richtungen fortpflanzen.
Der Titel von Arturo Parras Album wiederum weist ganz konkret auf seine Entstehungsweise hin: fünf »acousmatische« Stücke für Tape, von Parra an ebenso viele verschiedene Komponisten in Auftrag gegeben, werden auf »Parr(A)cousmatique« von dem kolumbianischen Gitarristen mit seinem expressiven Spiel auf der akustischen Gitarre konterkariert. Ein atmosphärisch unglaublich dicht geratenes Album, in dem sich ruhige, einfühlsame Passagen mit explosiven Fingerpickings und stakkatoartigen Rhythmusattacken abwechseln. Das in Parras Spiel omnipräsente lebensfreudige Flamencofeeling paart sich hier auf ganz wunderbare, ungewöhnliche Weise mit der Musique Concréte der Tape-Kompositionen. Eine absolute Empfehlung. Alle drei Veröffentlichungen beinhalten in den äußerst ansprechend gestalteten Pappkarton-Schubern umfangreiches Informationsmaterial, darunter Biographien, Details zum Release sowie Kommentare der Künstler zu den einzelnen Stücken in englischer und französischer Sprache. Zusätzliche Infos: www.electrocd.com.
Natasha Barrett / Stephan Dunkelman / Arturo Parra
»Isostasie« / »Rhizomes« / »Parr(A)cousmatique«
empreintes DIGITALes
Text
Tobias Bolt
Veröffentlichung
13.06.2003
Schlagwörter
54
empreintes DIGITALes
Natasha Barrett / Stephan Dunkelman / Arturo Parra
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