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EsRAP

»Tschuschistan«

Springstoff

Das Geschwisterpaar Esra und Enes Özmen aka EsRAP macht es einem wirklich schwer, sie nicht zu mögen. Musikalisch verhaftet in der sympathischsten Version des Deutsch-Rap, dem Wiener’schen Sprechgesang, bieten sie solide Sounds und bringen ihre Rhymes klar an den Start. Sie wechseln gern zwischen der alpinen Variante des Germanischen und erholen sich von dessen Sperrigkeit durch Türkisch. Gerade Enes Özmen hat eine feine Gesangsstimme, die den Songs eine Tiefe und zuweilen auch eine gewisse Gravität verleiht, die sogleich jeder*jedem, die*der es wagt, das Wort »Ethno« in den Mund zunehmen, eine drübersemmelt. Ohne Frage, die Geschwister haben ihren Stil gefunden. Zu ihrem Unmut hat es trotzdem mit »Tschuschistan« viel zu lange gedauert. Das Album ist (gerade deswegen?) sorgfältig produziert und wartet mit guten Kooperationen auf. EsRAP ist in Wien ziemlich Zentrum des Geschehens, wenn es um hochwertigen HipHop geht, und deswegen schauen andere bei den beiden gern im Studio oder auf der Live-Bühne vorbei. Kid Pex oder die Rocker von Gasmac Gilmore beispielsweise. Nur, das ist alles nicht der springende Punkt. EsRAP artikulieren mit einer Verve und einer Entschiedenheit Haltung, wie sie ihresgleichen sucht. Sexismus, Rassismus und dergleichen Abgründe, die durchaus genretypisch sind, werden bei EsRAP pulverisiert. Und wage niemand, den beiden mit »Integration« zu kommen. Ein gewisser Herr Kurz (damals noch zuständig für Des-Integration) soll sogar versucht haben, Esra als eine vorbildlich Integrierte einzuspannen, den anderen »Fremden« zum leuchtenden Vorbild. Pah! Er erhielt – aus gutem Grund – eine Absage. Einerseits verfügt die Republik Österreich noch nicht über die geistig-moralische Reife, um bei EsRAP um Integration zu bitten, und andererseits machen EsRAP klar, keine*r soll sich irgendwo unterordnen müssen. Gerade die Freien, die Eigenwilligen und die Diversen finden einen Weg zusammenzuleben und darum geht’s. Viva Tschuschistan!

Link: https://www.springstoff.de/artists/esrap/

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Text
Frank Jödicke

Veröffentlichung
30.08.2019

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