Bells Echo © Klaus Nauber
Bells Echo © Klaus Nauber

Endloses Glockenklingen im Leipziger Völkerschlachtdenkmal

Mit dem Völkerschlachtdenkmal findet die audiovisuelle Konzertreihe Bells Echo in diesem Jahr einen neuen Veranstaltungsort, der das Format in eine noch größere Dimension katapultiert. Eine dystopische Geschichte als lebendiges Wechselspiel von experimenteller Musik, Lichtkunst und Performance.

Bereits in den letzten Jahren wartete das Bells Echo mit beeindruckenden Szenerien in den Kirchen Leipzigs auf, in denen die Musiker Stefkovic van Interesse und Alex Röser sowie Medienkünstler Felix Richter aka Gen.Pi unter Teilnahme von Gastkünstler*innen eigens geschriebene Kompositionen aufführten. Wie läuft eigentlich das organisatorische Prozedere ab, sich nach einem Konzertabend in einer Kirche zu erkundigen? »Wir haben einfach den Pfarrer gefragt«, erwidert Stefkovic van Interesse völlig unbefangen auf der Informationsveranstaltung Pre Echo.

Bells Echo erlebte seine Geburtsstunde 2015 in der Philippuskirche im Leipziger Westen, seit 2017 – ausgetragen in der Paul-Gerhardt-Kirche – ist es zu einer Veranstaltungsreihe geworden. Als Grund, die Veranstaltung in Kirchen abzuhalten, nennen die Veranstalter hauptsächlich Raumakustik und Kulisse, aber auch die Auseinandersetzung mit dem Raum als spirituellem und gleichzeitig kritisch zu betrachtendem Ort sei erwähnt. Dieses Jahr, in der vierten Edition, findet die Veranstaltung am 26. April 2019 im architektonisch beeindruckenden Völkerschlachtdenkmal statt und bietet damit ein noch gigantischeres Panorama. Aufgeführt werden in zwei Akten das von Friederike Bernhardt komponierte »Xanten« sowie das von Alex Röser geschriebene Stück »Gaialyse«.

Bells Echo © Klaus Nauber

Von »Xanten« zur »Gaialyse«
Der Schritt in das Völkerschlachtdenkmal ist für die Leipziger Künstler eine große Herausforderung, sowohl technisch als auch konzeptionell: In dem 91 Meter hohen Denkmal, in dem die beeindruckenden, meterhohen Totenwächter die Krypta behüten, herrscht ein außergewöhnliches und empfindliches Raumecho. Im Gegensatz zu den letzten Jahren reduziert man noise- und droneartige Flächen und arbeitet mehr mit Klangfragmenten und Impulsen, die sich im Raum entfalten können.

Für den ersten Akt präsentiert Friederike Bernhardt »Xanten«, ein Stück für Elektronik und fünf Sängerinnen, das sie eigens für die Nibelungenfestspiele in Worms komponierte und in dem sie sich auf die Figur Brunhilds, Königin von Island, konzentriert. Die gebürtige Wittenbergerin arbeitet seit 2008 als Bühnenmusikerin und Komponistin für Film und Theater, noch 2019 soll ihr Soloalbum erscheinen.

Im zweiten Akt, »Gaialyse« von Alex Röser, kommen instrumental hauptsächlich Elektronik wie Synthesizer und Körpertrambura zum Einsatz, ein Klanginstrument, das mit seinem analogen, organischen Klang eine Brücke zwischen Mensch und Maschine schlagen soll. Zusätzlich ergänzen ein eigener Projektchor, Ensemble Infaust, bestehend aus Mitgliedern des Gewandhausorchesters in Symbiose mit fünf Schlagzeugern unter Leitung von Ben Meerwein sowie zwei Solistinnen, die Komposition. Inhaltlich setzt sich die Komposition mit dem historischen Kontext, der Völkerschlacht, dem Bau des Denkmals sowie Gegenwart und Zukunft auseinander.

Die Visualisierungen kommen auch in diesem Jahr von Gen.Pi, der ebenfalls mit den Beschaffenheiten des Völkerschlachtdenkmals zu kämpfen hatte. So schwirrten unter anderem Gedanken, ob der schwierigen Umstände, von im Raum schwebenden Objekten als Projektionsfläche in seinem Kopf umher. Fest steht jedenfalls, dass das Licht direkt mit dem Ton gekoppelt ist und auf diesen reagiert. Außerdem werden mit Hilfe von Live-Kameras die Musiker*innen gefilmt, digital verfremdet und projiziert. Ergänzend wird die Installation »Interspace«, ein auf dem neuronalen Netz basierenden Objekt, von Birk Schmithüsen, ausgestellt.

Bells Echo © Klaus Nauber

Vom Denkmal in die Zukunft
Zum ersten Mal lädt das Bells Echo zu einer nächtlichen Aftershow-Veranstaltung ins Institut für Zukunft ein. Um 23:59 öffnet der Club im Leipziger Südosten seine Pforten für das Post Echo. Gespannt erwartet wird die Berliner Gruppierung Hope, die ihre Pirouetten zwischen Indie, Post-Rock und Noise dreht. 2017 veröffentlichten sie ihr gleichnamiges Debüt »Hope« auf dem Independent-Label Haldern Pop Recordings.

Zu späterer Stunde dürfen sich die Gäste auf entsprechend düstere Klänge freuen: Um das Repertoire des Italieners Arcangelo darzustellen, müsste man das große Wörterbuch der Musikrichtungen durchblättern und hinter jedem Eintrag einen Haken machen, von Jungle über Punk bis Ambient und Techno ist alles zu finden. Ihr Live-Debüt feiern die Leipziger Freikörperkultur, die jüngst ein brachial-tanzbares Krauttechno-Set veröffentlichten. Abgerundet wird der Abend vom Berliner OAKE und Wurzel.

Link: https://www.bellsecho.com/

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