International ist der Anspruch von rx:tx, einem Label aus der slowenischen Hauptstadt, das dort 2004 das »Progress«-Festival über die Bühne gehen ließ. Primär geht es um mehr Austausch und Networking mit Szeneprotagonisten aus den ehemaligen Ostblockländern, die ja in der westlichen Rezeption leider immer noch unterrepräsentiert sind. Dies sollte mit der CD »progress – the trieste-vladivostok ex_04 line« gelingen. Eine ultimative Übersicht kann das gar nicht sein, sondern es ist eine eher ästhetische. So baut etwa Puna Syndicate (ein Duo, bestehend aus Musikern von Random Logic und Jadviga) Vinylsamples zu instrumental-abstraktem HipHop aus, und selbst die Echo Depth Finders aus Novosibirsk beackern dieses Genre mit einem dubbigeren Track. Und noch tiefer, in einen flotten Tiefsee-Dub, taucht P.o.S. (Piece of Shit) – das ist Goran Simonoski vom Belgradeyard Soundsystem – ab. Mittlerweile Bekanntere wie Tigrics, Volga, Molr Drammaz oder Andrey Kiritchenko runden das vielfältige, stets modern gewandete Soundpanorama ab, und inkludiert im Booklet ist eine sehr brauchbare Empfehlungsliste mit zentral- und osteuropäischen Labels/Vertrieben/Kollektiven, die u.a. das Rigaer Netlabel www.autiot.lv preist. http://www.rx-tx.org
CZ/SK – Mufonic Recordinx & The NihilistsNeues aus Prag: »Rhizomatic Sound« von Neutrino/Selectone ist programmatisch betitelt, verästeln/verstricken sich doch die Ideen des Duos zu sehr in Gefrickel. Will heißen: Aktuelle Dancefloorproduktionsweisen werden gehäckselt und fluktuieren, ohne dass ein Flow zustandekommt. Das arty Verkopfte wird visuell gut dargestellt mit sich verschlingenden/umgreifenden Fingern/Händen. Zu Recht hat es also nur Selectones Melodien transportierender, gleichwohl von Stromschlägebruzzeln dominierter Track »Life Between The Wires« auf den Sampler »Out of Place – Artefacts Vol. 1« von Mufonic Recordinx geschafft. Diese Compilation mit »alternative electronic music in Czeck Republic and Slovakia« birgt schattseitige Musik pur, etwa Charon mit Ambientdrones, soulfully deep! Oder Blue Ms raffiniert subversiven Slow-Motion-Abstract-HipHop mit tief wummernden Bässen, und Mindmaps »Celestial« gar mit verzerrt angerissener Breakbeattiefenschärfe und oszillierenden Melodiensprengseln. Wow! Herausragend. Klar, dass dann den weiteren mit Nu-Jazz-, Experimental- und Clicks’n’Cuts-Techniken operierenden Laboratorien etwas der Soul fehlt. Irgendwie hat diesen Prags gefeierte Electroclashgröße auf »Analogue Vodoo« (www.xproduction.cz/Manipulation Records) doch: MOIMIR PAPALESCU & THE NIHILISTS haben zumindest Glamour, sind tief in den 80ern grundiert und haben irgendwo Swamprock aufgesogen. Frontmann Papalescu, der sich als Kind in die rumänische Turnkoryphäe Nadia Comaneci verliebte und etwas transsylvanische Mystik einbringt, schiebt schwere Kraftwerk-Young-Gods-Synthie-Geschütze, während Hank J. Manchini ebenfalls neben Synthietasten Gitarrensaiten würgt und in »Motorpsycho« den crampsy crazy Sänger mimt. La Petite Sonja ist dann nicht nur blonder Aufputz, sondern toughe Sängerin: Mit »So much fucking dancing people, so much summer deviation« haucht sie die Technokultur in den Abgrund. Die Nihilists aber schaffen den Spagat zischen deeply Achtziger-Retro, Voodoo-Craze und 2005-Zeitgenossenschaft. www.mufonic.net bzw. www.nihilists.cz
PL – MikMusik: 8rolek und CO
»Not Sponsored, Not Censored« prangt auf den neuen Mik-Alben. »Not Commercial, Not Easy« wäre noch zu den Sounds hinzuzufügen. Allerdings geben sich diese Mühe, ins Ohr zu dringen. Melodiefetzchen im Every-Day-Laptop-Blues? »Repeated Fall« jedenfalls ist auf der Höhe der Zeit und hat den Minimal-Techno-Hop intus. 8ROLEK aka Bartek Kujawski will also Popstar werden, aber macht er sich und uns nicht das Zuhören zu schwer? Zu vertrackt kommen die Sounds aus zwei verlinkten Laptops. Attraktion durch Abstraktion? Da kann halt 8rolek nur Star auf einer Miniebene sein. Mit der CD »Umpomat«, einem Sammelsurium aus Lyrizismus und Aggression, ist er es mehr denn je. Der Steckdosenfolk »Volksmusik« ist übrigens recht poppig und das Album mag gar eine Mischmaschine sein, die Simples mit Abstrusem verbindet und mit Vorwitz aufbereitet – Freude am Schaffen ist spürbar, die Ideen sprühen. Nicht mit sogenanntem polnischen HipHop verwandt ist CO, der neue Fixstern am Himmel von MikMusik. »!Comoc!« ist ein Unikat und zeigt einmal mehr auf, dass eben an der Peripherie an exzellenterem Abstract HipHop gebastelt wird. Transmissionsriemen ist instrumentaler HipHop (die Lektion erteilen Old-School-Loops & Scratches), der in noisige Soundenvironments transformiert wird. Drängend, forsch, unterhaltsam! Stromschläge aus dem Off! Spannender, vibrierender HipHop-Noise, der, weil immer noch mit Melodien gespickt, kickt. www.mikmusik.org
»Land – Romanian Connection«
Bislang eher ein weißer Fleck auf der Electronica-Musiklandkarte ist Rumänien. Die Wiener Kulturaustauschplattform Formate/moving patterns war 2004 in Bukarest und lud rumänische bildende Künstler/MusikerInnen auch nach Wien ein. Spuren in Form einer wie eine DVD aussehenden CD (Rasputin Records Hurenschädl) hinterließ aber ein eher peripher damit verbundenes Konglomerat scheinbar wirrer Musiker und Literaten (siehe Target Trash #1-Review in skug Vol. 58 bzw. auf www.skug.at). Zu verdanken ist das dem Mittelsmann Stefan Tiron, von dem das grünliche Coverartwork mit Antenne auf Plattenbau stammt, und den einschlägig umtriebigen DJs Cosmoprolet & Trashterrier. Elektrisierender Auftakt: SelfMadeMusics »Hhh Weird House« vom »Delete A Lot«-Album 2004 klingt wie Telegrafendrähte unter Strom. Brandheiß auch Empty Recycling Bin, der beatwise Jordi Savall zitiert. Die Glocken läuten, doch ist dieser auch mit einem Flötendesaster zugegen. Da wird halt noch wild gebastelt, mehr in Sinne von reudigem Schaffen. Etwa Dyslex mit einem Stomper, der durchdrungen ist von einer stringent pfeifenden Antimelodie. Und ein ganz Lustiger ist Makunouchi Bento, der ziemlich fröhliche Melodien in sein Breakbeatgemurmel bugsiert: »Soare Cu Dinti«! Tja, Raphael Lostak (Artist der Soundbridges-Company!) als Minimalist hat sich auch hierauf verirrt. Und schlussendlich versteckt sich FM Zombiemaus, einer der Target-Trash-Erfinder, vor Dracula. Recht anmutig und nicht mal so zotig wie gewohnt. Den Hang zu abstruser Literatur lebt die Maus als bürgerlicher Karl Kilian im sonderbaren Booklet aus. Nachzulesen sind etwa im nicht nur alkoholgeschwängerten »This Is The Story Of My Experience In A Romanian Wedding« von A. Sinboy oder in den krummen Novellen für OvologInnen über das Ei. »Dracula Land – Romanian Connection« (Target Trash #5) ist zu beziehen via: www.rasprechs.com/targettrash.html