Filmstill »Die Dohnal« © Sabine Derflinger
Filmstill »Die Dohnal« © Sabine Derflinger

Das Thema »Frauen« ist Gesellschaftspolitik!

»Die Dohnal« setzt der Grande Dame der österreichischen Frauenbewegung ein Denkmal. Unvergessen ihre Verdienste in einer patriarchalen Zeit, in der sie in den 15 Jahren ihrer politischen Laufbahn als sozialdemokratische Staatssekretärin und erste österreichische Frauenministerin Geschichte schrieb.

Wie wichtig, daran zu erinnern, wie kurze Zeit feministische Errungenschaften im Kampf um Gleichberechtigung, wie die Legalisierung von Abtreibungen sowie die Errichtung des ersten österreichischen Frauenhauses 1978 unter der Politik Dohnals in der SPÖ, erst zurückliegen und dass sie jederzeit weiter verteidigt werden müssen. In den 1990er-Jahren initiierte Johanna Dohnal Kampagnen gegen Gewalt an Frauen und war damit maßgeblich an der Entwicklung des Gewaltschutzgesetzes beteiligt. Bewundernswert sind Dohnals Gabe für Dialogführung und ihre Bereitschaft zur Konfliktlösung, wenn man Attacken wie jene von »Kronen Zeitung«-Kolumnist Staberl beim Club 2 in der Dokumentation »Die Dohnal« von Sabine Derflinger miterleben muss. 1995 tritt Dohnal als Frauenministerin zurück. 2010 verstirbt sie.

Homosexualität und Geschlechterrollen
Ein gut gewählter Zeitpunkt ist die im Filmverlauf früh platzierte Thematisierung der lesbischen Beziehung Dohnals, die bis zu ihrem Lebensende andauerte. Ihre Witwe Annemarie Aufreither spricht wiederholt im Film und stellt wie viele andere der interviewten Protagoist*innen und Akteur*innen eine Sympathieträgerin dar. Tragisch natürlich aus heutiger Perspektive, dass Dohnal niemals ein öffentliches Outing vornehmen wollte, was sie mit der Gefahr der Reduzierung auf ihre Sexualität, die daraus erwachsen wäre, begründete. Charmant und attraktiv ihre Fotoporträts, um die sich unverkennbar eine lesbische Aura rankt.

Johanna Dohnal © Elfie Semotan

Von queerer Geschlechterdekonstruktion war damals nicht die Rede, als realpolitische Frauenpolitik an der Tagesordnung stehen musste, die für die Gruppe »Frauen« in einem Zweigeschlechtersystem unverzichtbar war. Unerlässlich auch heute, in Zeiten gehäufter Frauenmorde innerhalb heterosexueller Beziehungen, die staatlich finanzierte Bereitstellung von Frauenhäusern. (An dieser Stelle könnte allerdings kritisch die Frage gestellt werden, inwieweit Frauenhauspolitik nicht reine Symptombekämpfung ist. Ist nicht vielleicht schon die heterosexuelle, monogame Zweierbeziehung ein patriarchales Gefängnis, das eine grundlegende gesellschaftliche Veränderung und Verbesserung der Situation der Frauen verhindert?)

Berührend kämpferisches Lebenswerk
Die Dokumentation erfasst die Zusehenden auf einer emotionalen Ebene und lässt die feministischen Kämpfe noch einmal mitfühlen, -erleben und durchlaufen, als ob sie erst gestern passiert wären. Eine große Nähe zu Dohnal, ihrem Leben und ihren politischen Anliegen wird im Film spürbar. Gut positioniert sind außerdem die schriftlichen Infoblöcke zum politischen Geschehen in bestimmten Jahren. Unterlegt sind diese mit einer musikalischen Ebene, meist mit schnellen Beats, die eine*n auch unmittelbar auf der Gefühlsebene erwischen, aufrütteln und in ihren Sog ziehen.

»Die Dohnal. Frauenministerin/Feministin/Visionärin« unter der Regie von Sabine Derflinger läuft Anfang Februar 2020 im Zuge etlicher Premieren mit nachfolgenden Publikumsgesprächen in den österreichischen Kinos an. Große Empfehlung!

Link: https://www.diedohnal-film.at/

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