Ein melancholisches Herbstbild, das belegt, dass selbst die Tauben den Covid-Abstand einhalten. Genützt hat es nicht viel. © Redaktion
Ein melancholisches Herbstbild, das belegt, dass selbst die Tauben den Covid-Abstand einhalten. Genützt hat es nicht viel. © Redaktion

Dann machen wir mal (wieder) dicht!

Wie vorhersehbar, erreicht uns nun der zweite Lockdown. Schweren Herzens müssen wir die bereits geplanten Salons zumindest im November absagen. Es überwiegt aber die Wut über das desaströse Management der Politik.

Die nächsten vier Wochen (oder auch vier Monate) wird der Kulturbetrieb wieder geschlossen. Die Bundesregierung und ihr Umfeld halten diesen für nicht systemrelevant und dies lässt tief blicken. Sie sagen fröhlich: »Hallo Leute, Theater, Konzerte und Kino sind jetzt erst mal wieder aus, aber die Arbeit bleibt bis auf weiteres offen!« Und das Publikum so: »Yeah! Arbeit, fettgeil, die wollen wir nicht missen!« Der ideelle Gesamtkapitalist weiß, was er wirklich braucht, nämlich die Möglichkeit, das Kapital durch Ausbeuten von Lohnarbeit zu mehren. Eine Sekunde lang stellen wir uns einmal das Gegenteil vor: Die Maloche macht dicht (beinhaltet ja auch viele gefährliche Viruskontakte), alle werden per Kurzarbeit alimentiert und gehen mit Sicherheitsabstand den ganzen Tag ins Kino, Theater und Museen (die entgegen früheren Verlautbarungen nun doch geschlossen werden). Wäre vielleicht die bessere Lösung, oder? Wenn dabei auch die Scham gegenüber jenen quält, die in jedem Lockdown-Modell weiterschuften müssen (z. B. Ernte- und Pflegearbeit oder Regalbetreuung im Supermarkt). Möglicherweise quält die Scham beim Theater- oder Konzertbesuch sogar mehr, weil diese Orte der Reflexion sind, als dies im Bullshit-Job der Fall ist, wo sich die Endverbraucher*innen vollkommen zu Recht selbst verarscht vorkommen dürfen.

Zeitalter verblödeter Panik
Klar ist, die Situation durch das Virus ist bedrohlich. Sehr bedrohlich sogar und es müssen unbedingt Schritte zu Minderung der Ausbreitung von Covid-19 unternommen werden. Dass diese Maßnahmen – wie selbstverständlich – die Kunst treffen, aber keinen Bereich von Handel und Industrie, ist so ein Detail, für das sich Kanzler und Vizekanzler ein Zwickerbussi verdient haben: »Geh, ist euch doch eh alles komplett Blunz, gello?« Ob es hier einen genetischen Zusammenhang zu dem immer unverkennbareren Faktum gibt, dass man sich im Kanzleramt schon energisch festgelegt hat, dass aus der Covid-Krise sicher nix gelernt wird? Ständig muss die »Utopie der Komplettverblödung« betont werden: Es bleibt alles genau so, wie es ist. In einem halben Jahr oder vielleicht auch erst in dreieinhalb Jahren (lässt sich bei der Kurz’schen Salamitaktik nicht so genau sagen und woher soll es die BuReg auch wissen?) wird alles wieder genau so sein wie vorher. Genauso ungerecht, genauso umweltzerstörerisch und genauso verblödet. Die Glotze wird bereits von den blutleeren Schreckgestalten (aka Wirtschaftsexpert*innen) geflutet, die uns die Zombie-Ökonomie predigen. Es kann passieren, was will, am Ende bleibt das Diktat der Finanzmärkte aufrecht. Österreich darf sich folglich nun nicht zu sehr »verschulden«, weil dies schlecht fürs internationale Ranking wäre. Geht’s noch im Oberstübchen? Haben die anderen vielleicht auch ein Virus? Hieß es nicht, wir sind jetzt gemeinsam in der gleichen Lage? Müssten wir jetzt nicht solidarisch …?

Ach komm, das Regime ist fest entschlossen, genau jene Gesellschaftsordnung, die ins Elend geführt hat, trotz unverkennbarer katastrophaler Auswirkungen weiter zu betreiben. Ob bei Pandemie oder Klimawandel, es gilt die Logik: »Unternehmensgewinne, bis der letzte Vogel tot vom Baum gefallen ist«. Mit Austeritätsdiktat werden aber all jene Probleme, die uns plagen, nicht in den Griff zu bekommen sein. Das Versagen beim Kampf gegen die Pandemie ist nämlich systemimmanent. Was sich den Sommer über hätte machen lassen, an Prävention, an Testungen und auch an prolongiertem Lockdown, unterblieb, weil es schlecht angekommen wäre und »unserer Wirtschaft« geschadet hätte. Lieber hoffte man – entgegen glasklarer wissenschaftlicher Erkenntnisse – dass irgendwie ein Wunder passiert und die Pandemie kollabiert. Ist sie aber nicht.

Jetzt haben wir den Salat – den üppigen. Wer in den nächsten Wochen und Monaten nix außer Maloche auf dem Bildschirm hat und sich abends im Ausgangsperrenheimknast (Wohnungen dienen nur mehr »der Stillung eines unmittelbaren Wohnbedürfnisses«) verkriecht, wird kaum auf rettende Ideen kommen. Genau dazu wäre eben die Kunst da, in all ihren Formen. Die ist aber im Lockdown ausgeknipst. Der natürlich kein richtiger Lockdown ist (hat ja der Kanzler versprochen, dass es keinen zweiten gibt), sondern nur ein »Lockdown-ähnlicher Zustand« und somit als das Kurz’sche Lockdown-Pastiche in die Geschichte eingehen wird. Die damit einhergehende geistige Verödung und Verrohung wird bereitwillig in Kauf genommen und ist vielleicht sogar ein intendierter Nebeneffekt.

Alles muss abgesagt werden
So weit, so blöd. Wir weinen jetzt schon Kuku und Babsi die wohlverdienten Tränen nach, denn ihr Salon skug am 7. November in Zusammenarbeit mit KriLit wäre eine Wucht gewesen. Literatur, Lichtbilder und Witze über Gerhard Schröder, wo findet man das noch im heutigen Österreich? Und bei Kinetical & P.tah gehen uns die Worte des Bedauerns aus, denn sie hatten wir schon beim ersten Lockdown im März eigeplant und bereits da waren sie zum Handkuss gekommen. Der Ersatztermin beim Salon skug am 26. November wäre ein hochkarätiger Abend der gerymten Beatz gewesen und es hätte sogar obendrauf noch ein superes Panel gegeben, das uns ein für alle Mal den Zusammenhang von Feminismus und Klassenkampf vor Augen geführt hätte. Tja. Wir werden selbstverständlich versuchen, das Konzert auch ein drittes Mal ansetzen (wenn den geladenen Gästen noch der Humor dafür zur Verfügung steht) und würden dann damit sicherlich einen neuen Weltrekord an HipHop-Vorfreude aufstellen.

Wir behalten grundsätzlich unsere Reservierungen für Dezember aufrecht, die wir für weitere Veranstaltungen, wie beispielsweise den Weihnachts-Salon im Spitzer haben. Das Team vom Salon skug hält Augen und Ohren offen und will bei erster sich bietender und sicherer Gelegenheit unser Veranstaltungszelt wieder aufspannen. Wann dies genau sein wird, ist allerdings mehr als ungewiss. Den Spin der BuReg, so zu tun als sei »Licht am Ende des Tunnels«, ersparen wir uns, denn wir beleidigen nicht gerne die Intelligenz unserer Leser*innen. Die Wahrheit ist schäbig und hart: Das kann jetzt alles sehr lange dauern. Es gibt kein Mittel und keine Organisationsfähigkeit bzw. Bereitschaft, um umfassend gegen das Virus vorzugehen. Das kann nur bedeuten, dass lange und zermürbende Einschränkungen vor uns liegen.

Bis zur Wiedereröffnung des Kulturbetriebs erlaubt sich die skug-Redaktion als kleinstmöglichen Trost der Hinweis darauf, dass Lockdown-Zeit Lesezeit ist. Wir denken uns bei skug wieder neue Artikelserien aus – versprochen. Dazu abschließend noch ein kleines Faszinosum am Rande: Dies ist der 63. Artikel auf skug, der das Coronavirus und dessen Auswirkungen unmittelbar thematisiert. Artikel, die das Virus peripher erwähnen, gibt es bereits weit über hundert. Das hätte vor einem Jahr, als das Virus entdeckt wurde, wohl niemand prognostizieren können.

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