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Martin L. Gore / David Gahan

»Counterfeit« / »Paper Monsters«

Mute

Am Beginn: Einstimmen im Orchestergraben, uneindeutiges Brummeln – »In My Time Of Dying« der Auftakt zu einer unvollendeten Synthie-Symphonie im Namen Bob Dylans. Große Namen und große Texte werden in diesem Spiel eingesetzt, das sich doch bald als Unternehmung herausstellt, die Martin L. Gore, geistiger Kopf, graue Eminenz von Depeche Mode auf seinem zweiten Soloalbum sehr ernst nimmt, ohne dabei übertriebene Nachdenklichkeit vorzutäuschen. Feine, oft fragil anmutende Töne kontrastieren dabei zu strammen Elektronik-Arrangements. Martin L. Gore hat das Prinzip des Coverns begriffen – vielleicht braucht er die Askese vom eigenen Songwriting, um zur kreativen Demut zu finden. Seine Interpretationen vermitteln jedenfalls Integrität und Respekt gegenüber den musikalischen Leihgebern und es gelingt ihm dabei trotzdem seine eigenständigen Versionen zu schaffen. »… And all my thoughts are clouds of happiness« – Julee Cruises »In my other world« nimmt man ihm als erlebt ab – in seinen Zusammenhängen – und fast wollüstig klingt das »Loverman« vom dunklen Fürsten Nick Cave in seiner Interpretation. Sie steht ihm gut – seine Stimme.
David Gahan hingegen ist, was er scheint. Die physische Wahrhaftigkeit, der lebende Beweis von Depeche Mode. Plastisch, körperlich seine Songs, die klingen als ob er sich mit U2 im Million Dollar Hotel getroffen hätte und sie dabei einige Ideen ausheckten. Viel los ist auf dem Laufsteg der Gefälligkeiten, auf dem er sich im Scheinwerferlicht auf »Dirty Sticky Floors« räkelt. Danach übt er sich in der nach dem Wind ausgerichteten Bescheidenheit und ein Lächeln ist eine Überraschung und kann, wenn man die Augen aufmacht, gleich die Welt bedeuten. Dazwischen Verschleierungstaktiken: Seidigen Streichern folgen Bassdrum-Ausrutscher, die von fast schmerzhaften Mundharmonikakkorden begleitet werden und in den Sümpfen des Mississippi münden (»Black And Blue Again«), aber schnell ist man wieder in der wohl temperierten DM-Ästhetik: »You always need me much more than I need you« und dabei bleibt er auch noch im Takt. Was wäre es erst, wenn man ihn dann noch leibhaftig vor sich sehen könnte, aber soweit reicht dann doch die Vorstellung.

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