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Beißpony

»Brush Your Teeth«

Chicks On Speed Records

Ein Münchner-Duo-Kollektiv aus zwei Mitgliedern und einem Heer mehr oder weniger eng assoziierter ZuträgerInnen. Der CD liegt z. B. ein Packen vom Künstler Klaus Erich Dietl gestalteter Einlegekarten bei, wie überhaupt die ganze Aufmachung so hübsch ist, dass ich ausnahmsweise sogar auf Vinyl-Nachbemusterung verzichte. Schön, effektvoll und erhaben wie die bis in den letzten Winkel gestaltete Verpackung ist auch die Musik selbst, mitsamt ihren vom Klavier ausgegebenen Antifolkakkorden, deren Pathos sich die Geräusche von Näh- und Schreibmaschinen (die Beißpony sowohl im DIY-Universum als auch im Zusammenhang einer feministischen Wiederaneignung von Handarbeit verorten) sowie andere undefinierbare found sound objects unterordnen müssen. Im Zentrum aber stehen die Stimmen der Kerngruppe (Songwriterin Laura Theis und Textilkünstlerin Steffi Müller), die sich wechselseitig umkreisen und dabei den Eindruck überindividueller, irgendwie beklommener weiblicher Subjektivität erzeugen. Die Intimität, die sich darüber einstellt, hat einen unklar umrissenen Schatten, eine dunkle Seite. Unter patriarchalen Bedingungen enthält sie stets die Möglichkeit der Verletzung (für deren drastische Form hier eine Coverversion von Hüsker Düs »Diane« als sentimentale Täterperspektiven-Ballade steht). Der Nähe wohnt Entsetzen inne und der Schönheit eine schummrige, einlullende Bedrohlichkeit. An manchen Stellen möchten Beißpony dem gerne ins Kimya-Dawson-hafte entkommen. Das geht aber irgendwie nicht. Naivität und Verspieltheit, das verträumte Kleinmädchenhafte (das immer wieder aufblitzt) sind kein vorgesellschaftlicher Raum (mehr). Das weiß schon die Kinderstimme von Laura Theis, die – im Alter von fünf Jahren per Kinderkassettenrecorder festgehalten – in »Hell Must Be A Radio Station« ruft: »Seid nicht so laut!«. Die Bauarbeiter, die vor ihrem Kinderzimmerfenster »den wahrscheinlich schlimmsten Radiosender der Welt« hören (wie das Info zum Entstehungshintergrund ergänzt), hat das offensichtlich nicht beeindruckt. Gegen das männliche Prinzip sind Kinderstimmen, Antifolkakkorde und das Traurigschöne immer noch machtlos.

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