Foto: Myles Pettengill
Foto: Myles Pettengill

Bleib zuhause im Sommer: Mikal Cronin

Auffällig zuerst als Sidekick des Garage-Derwischs Ty Segall, ist Mikal Cronin längst selbst zu einem Eckpfeiler der kalifornischen Musikszene geworden. Sein charakteristischer sommerlicher Garage-Power-Pop mit düsterer Poesie für die never ending Adoleszenz funkelt auch auf dem neuen Album »MCIII«. skug traf Cronin in Berlin.

Mikal Cronins Zweitwerk von 2013, »MCII«, war durchdrungen vom stillstehenden Licht von Sommer- abenden, von Abenden, in denen nichts passierte außer Stiche ins Herz auf dem Heimweg, weil alles so schön ist und schlimm auch, gleichzeitig. Schonungslos trafen die Texte von Garage-Power-Pop- Songs wie »Weight«, »Shout It Out« oder »Peace of Mind« einen Gemütszustand der Generation Wasweißich, obwohl sie auch vielleicht nur von Mikal Cronins eigenen Düsternissen im West-Coast- Idyll handelten: Wandel und Steckenbleiben, Erwachsen-Werden-Müssen, Hoffnung aushalten.

Der Nachfolger »MCIII«, der dieser Tage auf Merge Records erscheint, ist das schwächere Album ge- worden, weniger dringlich, weniger auseinanderplatzend ob melodischer Manien. Dafür mit bunteren Klängen, vielfältigeren Arrangements, einem sechsteiligen, autobiographischem Konzeptstück (»Circle«), vor allem aber ist es noch immer zugleich endless summer und total eclipse – und im Busen des Albums schlägt ein Herz aus purem, goldenen Pop.

skug traf Mikal Cronin, der bezeichnenderweise seine lange Spaghettimähne abgeschnitten hat und nun wirkt wie ein ausnehmend gutaussehender, nachdenklicher Theologiestudent kurz vorm Glaubensabfall, an einem grauen Nachmittag in Berlin, zu einem Gespräch über seine Musik, seine Dämonen und Kalifornien.

skug: Warum Garage-Rock, warum ist das Ihr Genre geworden – ist es das überhaupt?
Mikal Cronin:
Das ist es nicht mehr, glaube ich. Mein erstes Album war sehr garagelastig. Ich ent- deckte den Stil, als ich jünger war, fand es cool und fühlte mich damit verbunden. Ich mochte es, laut Gitarre zu spielen. Und natürlich ist auch im Kern des neuen Albums ein Element des Garage-Rock, aber es geht schon darüber hinaus.

Wie kam es zu diesem Wandel?
Ich fand Gefallen an populärer Musik! Das fühlte sich alles sehr natürlich an, ich interessierte mich auf einmal mehr für starke Melodien, interessante Arrangements als nur für schnelle, laute Gitarren- musik.

Fühlen Sie sich trotzdem noch als Teil der San-Francisco-Szene, die als sehr garage-y gilt?
Jede Band in dieser Szene, so wie die Leute sie verstehen, macht etwas sehr eigenes. Es gibt dort auch Garage-Bands, aber alle gehen in eine andere Richtung. Was aber stimmt, ist, dass es eine Gruppe von Freunden ist, dass alle zusammenarbeiten, sich gegenseitig unterstützen. Daran ändert sich nichts, wenn ich mich musikalisch weiterentwickele. Ty Segall, Thee Oh Sees, die Sic Alps, alle be- wegen sich ständig musikalisch weiter.

Und Sie sind der Pop-Guy?
Das könnte man sagen. Ich glaube schon, dass ich ein offeneres Ohr für Pop-Melodien habe als meine Freunde.

Denken Sie Ihre Songs dann auch von den Hooks und Melodien her?
Ja, ich fange mit der Akustikgitarre an und suche Akkorde und Melodien. Vielleicht summe ich eine Melodie und suche dabei Worte, die passen, aber so fange ich an, alles weitere ordnet sich dem unter.

Die Songs sind jetzt scheinbar noch deutlicher an Ihre Person gebunden, verbunden mit Ihrer Geschichte. War das so geplant?
Schon auf meinem ersten Album wollte ich ehrliche Songs schreiben, meine eigenen Erfahrungen, meine eigenen Themenfelder verhandeln. Das ist bei allen drei Alben gleich geblieben. Diesmal ent- schied ich mich aber dafür, eine klassische B-Seite zu machen, die ein längeres Stück enthält, einen roten Faden hat und narrativ funktioniert. Aber es dauerte, bis ich wusste, welche Geschichte ich so erzählen kann und wie sich das musikalisch gestaltet. Das gilt auch für die Arrangements, die Streicher und Bläser, ich wollte neue Sounds entdecken, ein neues Level erreichen, das aber immer noch eine Basis in einfachen Rock- und Pop-Songs hat. 

Welche Geschichte ist es geworden, die Sie erzählen?
Eine Menge Konzeptalben erzählen eine fiktionale Geschichte, oft geht das ins Fantasy-hafte. Das wollte ich nicht, das hätte sich zu weit entfernt von dem ehrlichem, persönlichen Songwriting, das ich praktiziere. Also griff ich zurück auf eine Episode in meinem Leben, als ich viel jünger war, von der ich nun weiß, dass es eine schwierige Zeit war, aber auch eine wichtige, in mancher Hinsicht ein Wendepunkt – eine Zeit, die mein Leben in eine Richtung drehte, mich zu der Person machte, die ich seitdem bin. Kreativ sein, Musik machen. Es ist eine Geschichte von mir als jungem Menschen, der in jeder Beziehung verwirrt ist, der nicht weiß, was er mit seinem Leben anstellen, wie er seine Zeit ver- bringen sollte. Ich kam aus meiner Blase raus, zog von zuhause weg, stand das erste Mal auf eigenen Füßen, neue Kämpfe, neue Emotionen, neue Gefühle, auf die ich nicht vorbereitet war. Dazu kamen auch körperliche Schmerzen, schwere Rückenschmerzen. Ich musste wieder nach Hause ziehen, um operiert werden zu können, eine merkwürdige Zeit. Am Ende habe ich die Schule geschmissen, aber auch den Weg verlassen, den ich bis dahin verfolgt habe, um einen neuen zu finden, der mich als Mensch glücklicher und erfüllter macht. Also: Eine kleine Geschichte aus diesem Happen Biographie von vor ungefähr zehn Jahren. 

Wenn ich Sie richtig verstehe, haben Sie auch angefangen, Musik zu machen als eine Form von Therapie? Oder ist es eher ein zufälliges Ergebnis dieser Phase?
Für mich ist es eher das, was eben passiert ist, aber Musik kann therapeutisch wirken. Songs schreiben, im eigenen Leben Themen finden, über die man schreiben will, der Prozess, herauszu- finden, wie man Songs über das eigene Leben schreibt, die universellen Dimensionen dessen zu entdecken, was du ganz persönlich fühlst – oder über diese Dinge so zu schreiben, dass sie von vielen verstanden werden können, dieser Prozess ist therapeutisch. Wenn du dich mit etwas be- schäftigst und nur dich selbst im Zentrum deiner Ûberlegungen siehst, dich fragst, ›warum ausge-rechnet ich?‹, dann ist es wichtig, die universellen Aspekte zu erkennen, zu sehen, dass letztendlich jeder Mensch mit diesen Problemen auf die eine oder andere Weise zu kämpfen hat. 

»MCIII« klingt für mich nach einem Abschluss, nach dem Finale einer Trilogie – und es erzählt nun auch von dem Ende einer Phase und einem Neuanfang.
Das könnte sein. Ich habe es Nummer drei genannt, weil es sich so anfühlte wie das dritte Kapitel der gleichen Idee, die ich lange verfolge. Aber jedes meiner Alben bisher dokumentiert jeweils eine bestimmte Phase in meinem Leben, in der Dinge sich ändern und ich damit klarkommen muss und instabil werde. Und das gilt auch für das neue Album, nur, dass ich mit der B-Seite in der Erzählung meines Lebens in die Zeit vor dem ersten Album gegangen bin, eine Art Prequel, so dass sich nun ein vollständiger Kreis ergibt. Also ist es schwer zu sagen, ob das nächste Album wieder diese Erzählung fortführt oder etwas ganz anderes sein wird, aber irgendetwas, und da gebe ich Ihnen recht, fühlt sich so an, als wäre es ein Abschluss. Time will tell!

Brauchen Sie eigentlich Kalifornien, die kalifornische Sonne, um Songs zu schreiben?
Meine Songs klingen vielleicht sonnig, sind es aber nicht. Es ist das gleiche wie mit den Beach Boys. »Pet Sounds« klingt sehr sonnig, sehr kalifornisch, aber die Texte sind sehr düster, traurig und unheimlich. Ich brauche keine Sonne, um Songs zu schreiben, ich bin sowieso immer daheim und arbeite. Und das graue Wetter hier mag ich eigentlich viel lieber.

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Text
Steffen Greiner

Veröffentlichung
26.04.2015

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