2022 wird ein gutes Jahr. Es kommt zwar erst. Aber wir hoffen es mal. Bevor man sich zum Weihnachtsfest mit seinen liebsten Feinden, den eigenen Verwandten, den neuesten Shit aus Telegram-Gruppen erzählen lässt, atmet man dreimal in die FFP2-Maske und lauscht sich durch die besten Veröffentlichungen aus Österreich.
V.A. – »Echoes of Tarab 1« (Echoes of Tarab)
Das Wiener Weltraumkommando um Echoes To Tarab wird Fünf und bastelt Traumfänger aus Straußenfedern. Ein Trommelkreis versammelt sich, der Kaugummiautomat wird geplündert. Heimlich schleicht man sich auf den Dancefloor, aber: niemand da. Niemand betet zum Saturn, keiner crusht 2G. Alle sind auf Bandcamp. Mit einer Compilation für Elon Musk und andere Space Invaders.
Ætherleib – »Heirs to Cruel Altruism and Testators of Naught« (Death Defier Productions)
»Jeder Mensch ist geboren, um zu leiden und zu sterben.« Klingt nicht gerade nach innerem Blumenpflücken, eher nach existenzieller Vierteilung und anschließendem Scheiterhaufen. Spiritus sanctus, die Düsterheinis von Ætherleib sind der Marter näher als dem Leben.
Juergen Vonbank – »Cabin Takes« (Night Defined Recordings)
Mozartkugeln, pfff! Mit Night Defined Recordings prügelt in Salzburg die süßeste Versuchung aus Subwoofern. Labelchef, Freakadelle-Kollektivler und Mountain-Man Juergen Vonbank nimmt den beheizten Sessellift zur Erstbesteigung, kritzelt 13 Tracks ins Gipfelbuch und heizt mit Dub- und DIY-Sounds in die Talsenke. Boom Chicka Wah Wah!
Gregor Jóhannsson – »Was bleibt« (s/r)
NILS, oder »Nice Independent Lo-Fi Sounds« ist der Labelsäugling von Gregor Jóhannsson. Damit hat der Wiener Geist von Daniel Johnston ein Handerl an der Tränendrüse. Wenn er übers Piano streichelt, in die Orgel greift oder vor dem Mikro säuselt, verwandelt er sich zwar nicht in Elton John. Der Wind bläst – husch, husch – trotzdem das Friedhofskerzerl aus.
Nature Swim – »Slow Corners« (s/r)
Der Sommer ist weit weg. Der nächste Punsch nur einen Querdenker entfernt. Dass man sich unter der Heizdecke verkriechen mag, um bis kommenden Aprüü zu vegetieren, bleibt für fünf Minuten und achtzehn Sekunden geträumte Realität – mit Magdalena Erb und Gabriel Fischer, die als Nature Swim den Dreampop der Daunendeckensaison spielen.
Hypnotic Floor – »Odd Conjectures« (s/r)
Stell dir vor, es ist 2021. Du bist ein weißer Mann und führst dich auf – pfeifst dir den ganzen Tag die ärgsten Sachen rein, laberst von 5G und rennst mit einem Schild durch die Gegend, auf dem steht: »Jesus liebt dich«. Auf einmal hörst du die Zukunft: Hypnotic Floor! Der Kalender springt auf 1975. Du bist ein anderer Mensch, kaufst dir eine Gitarre und schluckst statt dem Pferdekram nur noch pures Acid.
Earl Mobley – »Glamour, Envy & The Act Of Looking« (s/r)
Konstantin Heidler ist der österreichische Kevin Morby mit Nasenklemme und Auto-Tune-Gerät. Die Gitarre baumelt am Nordpol der Gürtellinie, die Discokugel dreht sich gegen den Uhrzeigersinn, der Vibe geht Richtung Morning Show. Trotzdem bricht er mit »I Never Meant To Hurt You« mehr Herzen als Bruce Springsteen in Nebraska.
Demuja – »Green Tiger EP« (s/r)
Bernhard Weiss produziert Bänger. Hauptberuflich. Auf der ganzen Welt. Als Demuja tingelt der Salzburger zwischen Watergate und Bootsparty, schwitzt in der Sauna oder in El-Ey! Corona hat den Veranstaltungskalender zwar zerrissen. Die Bänger für den nächsten Segeltörn giorgio-morodern trotzdem schon rum.
Robson Darker – »Disko feat. Elektrik Skin« (s/r)
Für Schulterpolster ist die Welt noch nicht bereit. Dafür tragen alle Buffalos und Fischerhüte. Modische Referenz: die Viva-Charts von 1996. Dass man Disco trotzdem wieder auspacken darf, ist nicht erst mit Robson Darker true – aber mit dem Track »Disko« auch für Spätzündelnde ver…ständ…lich formuliert.
Schattenmusik – »Maria durch ein Dornwald ging (feat. Akrüül)« (Problembär Records)
Die Schattenweltler haben den Adventkalender schon leer gefuttert. Übrig bleibt: ein Kerzlein am Kranz, drei im Herzen und fünf Roserln für den Pfaffen in der Neuinterpretation des alten Liederbuchs. Mit Soundspezi Julian Klien aka Akrüül kritzeln die heiligen drei Könige ein Kreuzerl ans Gebälk, die ganze Altbauwohnung mieft nach Weihrauch. Halleluja, Herr im Himmel!
Gallowhead – »s/t« (Zann’s Records)
Wenn mir die Post ein Packerl mit einem Tape bringt, auf dem Hardcore brettert, ist das dann Post-Hardcore? Nichts für ungut, die vier Buben aus Feldkirch geben sowieso keine Antwort, drücken aber ins Gitarrenpedal. Melodie für die Streckbank hier, Schreie aus dem Schlachthof da. Alles ist angerichtet für den Kindergeburtstag!
Kobermann – »Gagarin 2« (s/r)
Des Kobermanns neue Klänge sind eine Bastion. Vor der Welt, den Leuten und vor allem: fürs eigene Wohl zwischen Badebombe und Berliner Luft. »Gagarin 2«, ein zehnminütiger Koloss, wirkt dafür wie ein Brandbeschleuniger am Solipsisten-Kongress. Die Welt hängt am Draht, alle spulen ihren eigenen Film. Nur einer behält die Übersicht: der Piller, Mann!
Danny Proud – »tied (in the basement)« (s/r)
Gestatten, Johannis Baer Strysl. Wer dem Namen selbst im nüchternen Zustand nicht gewachsen ist, kann sich auch einen der anderen aussuchen: Kik Wühltisch, Tiny Crater, Danny Proud. Aus deren Fuhrpark kratzt und klescht es, dass man den impulsiven Drang unterdrücken muss, sich in der Badewanne mit Altöl zu übergießen. Total gaga, Lady!
Fabio Me Llaman Soltero & Odia – »Demoledora de Bestias« (Belly Dance Services)
Eigentlich kennt man die Wiener Bauchmuskeltrainer von Belly Dance Services für ihr Full-Body-Workout unter Bikram-Bedingungen. Ausnahmsweise kraulen uns Hanzo und Yaman aber das Bauchi mit Hula-Hoop-Reifen und lassen derweil Boom-Boom-Beats aus Guatemala ballern.
Weissbach – »Swedek« (s/r)
Drei weiße Männer, viele Kabel, noch mehr Lärm. Der ELAK-Wuzzi und Breitenseer-Lichtspiele-Übernehmer Dieter Mattersdorfer bürstet mit Wernfried Lackner und Helmut Kaplan die Gitarren, dass Drones um die Sonne fliegen. Der Wiener Farmers-Manual-Altgott Oswald Berthold klopft mit. Und ich schrei nach einem Tape-Release!
Orange Gone – »Benny/Jubilee St.« (s/r)
Sufjan Stevens entzündet ein Friedenslichtlein, zwei Engerln tanzen Walzer, die Steppdecke wärmt – wenn Maximilian Mrak nach der Akustischen grapscht und Songs schreibt, für die Coming-of-Age-Streifen mit Gütesiegel von Sundance erfunden wurden.
Gerhard Heinz – »Aus Liebe Zum Vergnügen« (s/r)
Gerhard Heinz war Kapellmeister im Moulin Rouge, lehrte Milva, Peter Kraus und Freddy Quinn das Singen, schrieb Songs für Schmuddelfilme und ließ zwischen Jazz und Funk die Discokugel rotieren. Auf Bandcamp erscheinen immer wieder seine Scores zu alten Filmen – wie das 1979er Prackerl »Aus Liebe Zum Vergnügen«. Aus einer Zeit, in der das Hobeln noch Qualitätsstandard hatte.
Hyeji Nam – »Meta Love« (Tender Matter)
Hyeji Nam lebt in Wien, lernt an der Akademie der bildenden Künste und stellt gerade im weissen haus in der Hegelgasse aus. Außerdem ist auf Tender Matter gerade ihre Sound-Geburt erschienen. Drei Stücke laminieren ihre Stimme. Nam staubt den Flügel ab und legt drei Kirchenschiffe in den Hall. Wenn das die Zukunft ist, in der wir leben: bring it on!
JerMc & food for thought – »Most Süß 2: Mehr als nur süß« (Heiße Luft)
Keine Heiße-Luft-Jokes mehr, bitte! Die Leute vom HipHop-Label aus Wien stehen seit Jahren für Texte, über die sich der philosophische Stammtisch im Rüdigerhof die Synapsen verbrennt. JerMc und food for thought sind sweet wie Winnie Puh, rauchen nicht pur und bekämpfen Munchies mit Kokosmandeln. Wer so flext, wird in Österreich nach drei Monaten Innenminister!
Bernd Haas et al. – »Duo- and Triosessions 2021« (s/r)
Wie verbringt man den Lockdown? Veganes Sauerteigbananenbrot bringt’s nach dem dritten Insta-Posting nicht mehr. TikTok verstehen nur 15-jährige Ritalinsuchtis. Bleibt die Musik. Der Tiroler Gitarrist Bernd Haas ist sein Telefonbuch durchgegangen und hat Freunde wie Johannes Sigl oder Florian Oberlechner zum Jammen eingeladen. Das Ergebnis grätscht mit Armdrücker-Ambient in den Jazzkeller. Beauty!
Joanna John & Michał Stępień – »We Are The Alchemy« (Interstellar Records)
Interstellar Records aus Linz haut zum 20er noch einen raus. Die alte Labelbekannte Joanna John gräbt mit Michał Stępień in Derwisch-Drones die Gitarre aus. Sirenen heulen, weiße Tasten spuken, wir tauchen ab, es regnet. So einen Film schiebt man nicht jeden Samstag!
Tral Neu – »Tral Neu« (Tonal Shifts)
Ivan Antunovic hat bei Fettkakao und Totally Wired veröffentlicht, ist mit dessen Nachfolger von Cut Surface verbandelt und hat Tonal Shifts gegründet. Auf Tral Neu waven natürlich die Synthis, der Clou: bei jedem Song tun andere aus der Wiener Schattenwelt mit: Mala Herba, Johnny Geiger, Dee Rüsche, Gran Bankrott … you name it!
Sundl – »Sundl II« (Cut Surface)
Sundl, das musikalische EPU für Bestattungszeremonien, haut sich hinter die Orgel und pfeift der Anfangsszene von Kubricks »Shining« sechs Ständchen. Die Beats sind begraben – wer seinem eigenen Leben, dem Horrorstreifen in sechs Lockdowns, einen Soundtrack zwischen den Gurgeltest schieben will, tut sich einen Gefallen und sundelt nicht lange herum.
mitra mitra – »By Your Hand« (s/r)
Frohe Kunde zur allgemeinen Gesamtscheiße: mitra mitra bringen bald eine neue Platte raus. Soll heißen: Violet Candide und Makh Rumbae greifen wieder in die Glitterbox. Die Zukunft blinkt wie eine Plastikfichte in der Lugner City, die Schulterpolster miefen nach Mottenkugeln. Hauptsache Vandal. Den Ismus stellt man sich sowieso unter die Obi-Tanne.
Diamond Incarnation – »Rush Of Lights« (s/r)
Irgendjemand in Lienz hat die FM4-Morning Show durch einen Verstärker mit vüüüüü Hall geprügelt. Riecht nach Cabriofahren bei 38 Grad im Schatten, Pastellfarben im Himmel und Tri-Tra-Träumelinchenland, zieht den Shoegazern aber die Segelschuhe aus.
Mandl Schorsch – »Hits« (s/r)
Die legendäre lebende Legende Mandl Schorsch würd’ immer noch gern mit dir duschen. Zwischendurch kommt die Sonne raus. Zum Vollmond schneiden wir uns die Zehennägel und gießen die Petunien. Der Silvesterstadl mit fünf Tonnen Konfetti auf einer CD!
Elfriede Blut – »Platzwunden & Fieber« (Ternär)
Freundinnen und Freunde des wohltemperierten Acids, treten sie näher! Elfriede Blut, Wiens 303-Drückerin mit Hang zum Ausfallschritt im Viervierteltakt, pumpt auf Ternär ihr erstes Album in den Tekknokeller. Puls auf 180, seit drei Tagen nicht geschlafen, aber Playstation 2 zocken bis die Chili-Cheese-Nuggets ausgehen.
Andrea Michele Vincenti – »Relaxation Sphere II« (Relaxation Sphere)
Panflöten. Sonnengruß. Und positive Psychologie zum Wartezimmer-Wasserbrunnen-Geplätscher. So viel Schalom, dass es wehtut.
Thomas – »Hands« (Junior)
Während alles um uns immer lauter, schneller, größer wird, wirft sich Thomas aus Graz eine Dreierpackung Valium ein, um sein Jahr der Ruhe und Entspannung mit … Ruhe und Entspannung zu begehen. Besser als jedes Headspace-Schlafdings!