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Skrillex

»Bangerang EP«

Big Beat

Im Netz kursiert eine Karikatur, die Skrillex als Milhouse zeigt, also als Bart Simpsons nerdigen Freund, seines Zeichens Einzel- und Scheidungskind, Brillenträger, Allergiker, zudem unglücklich in Barts Schwester Lisa verliebt und mit hin und wieder aufblitzenden Allmachts- und Weltzerstörungsphantasien sowie Anzeichen eines Aufmerksamkeitsdefizits ausgestattet. Was die Sache eigentlich ganz gut trifft, weshalb Skrillex aber auch nicht so einfach in die Pfanne gehaut werden kann. Galt den Milhouses dieser Welt (sofern sich Milhouse als Mittelname nicht auf Richard »Dickey« Nixon bezieht) doch immer schon eine gewisse Sympathie. Nur verspielt Skrillex (u.a. bekannt durch Remixe für Lady Gaga, Snoop Dogg, La Roux, Bruno Mars, The Black Eyed Peas, Rob Zombie, SebastiAn, Korn und die 2011er Grammys für »Beste Dance-Aufnahme«, »Bestes Electronic/Dance-Album« und »Beste Remix-Aufnahme«) die auch gleich wieder. Allein sein »Born This Way«-Remix zeigt, dass Disco nicht sein Ding ist. Dafür Scooter umso mehr. Motto: Einfach über alles drüberfahren. Dazu passt ja auch der pophistorische Treppenwitz, wonach die Nu-Metaller von Korn zusammen mit Skrillex Dubstep in den USA erst so richtig gro&szlig gemacht haben. Nennt sich jetzt aber eh Brostep, womit das Fehlen subsonarer Bassferquenzen zu Gunsten von etwas, das wie tiefgelegte, aber dennoch schrille E-Gitarren klingt gemeint ist und wozu es sich im Biergedusche so richtig wild Headbangen lässt. Kurz: »Hyper, Hyper« als Melange aus Metal und Progressive House, inklusive Mickey Mouse-Stimmen und Breakbeats. So vorhersehbar wie D&B in den späten 90ern, und so was kann bei Musik, die vor allem ihr ganz irre und kirre durcheinander gestricktes Rambazamba als Permanent-Rawumms-Make-Up aus den Boxen klotzen möchte, schnell zur Gewöhnung, vulgo Langeweile führen. Aber seien wir kurz gnädig und verbuchen Skrillex einfach mal unter »Jugend forscht« (wo er aber auch nur durchschnittlich abschneidet). Zudem ist in den USA »Techno« ja erst letztes Jahr als flächendeckendes Phänomen angekommen, wenn auch fast nur in der Variante Euro-Dance und daher primär nicht afro-amerikanisch und (mit Ausnahme von Lady Gaga) auch wenig auf Gender Trouble aus. Justice gelten dort ja auch eher als AC/DC- bzw. Motörhead-Verschnitt, denn als Electronic-Act. Also ist das alles in transatlantischen Ohren sehr, sehr neu (und natürlich gänzlich ohne Bezug zu dem, was seit 20, 30 Jahren in Detroit oder Chicago in Sachen Maschinen-Musik gemacht wird). Daneben kommt Skrillex, ebenso wie Lana Del Ray, auch aus einem von Majors klammheimlich vorbereiteten Nichts, nur dass bei Artikeln über Skrillex doch etwas mehr über Musik zu lesen ist als bei jenen über Lana Del Ray (Brille und Haarschnitt sind aber auch hier fast ebenso wichtig). Aber ist nun Skrillex der wei&szlige Junge, der den Dubstep gestohlen hat? So wie Elvis verdächtigt wurde, den Blues entwendet zu haben? Jein. Weil er hat ja von Bässen null Ahnung (Tests auf verschiedenen Anlagen beweisen das) und lässt Dub (als sonisches Feld wie als Technik) au&szligen vor. Andererseits erinnert das Ganze schon sehr an HipHop in der Gestalt von Vanilla Ice oder als Soundtrack zu »Beverly Hills, 90210«. Skrillex steht hier eben nicht für die ?berwindung einer Kategorie wie »race«, sondern er zeigt, wie »race« immer noch bestimmend wirkt. Wetten, wenn er es mal langsamer angeht, holt er sich sicher auch ein paar R&B-Grammys.

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Text
Didi Neidhart

Veröffentlichung
14.05.2012

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