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Attwenger

»drum«

Trikont/Lotus Records

Attwenger bleiben sich selbst treu und sind auf ihrem neunten Studioalbum »drum« doch »a bissl aundas«. Ihr Jonglieren mit der Mundartsprache auf der Höhe eines Friedrich Achleitner, H. C. Artmann oder Ernst Jandl ist brillanter denn je. Und musikalisch von einer Raffinesse, die kaum übertroffen werden kann. Insbesondere irgendwie unrunde, dafür umso packendere elektronische Loopschleifen lassen ständig aufhorchen. Wenn »erso&sieso« wissen, dass sie eigentlich nicht zusammenpassen, und doch nicht voneinander lassen können, ist das nicht zum Zerkugeln, und auch »foisches viech«, der zweite Song, ist wider das Beharren: »es gibt so vü i glaub i schbin / de sitzn ihr lebm laung im foischn drin«. Verdammterweise hilft das »happinessbisness« keineswegs dagegen und Markus Binder kann spielerisch auf Rap-Tempo umschalten und atemraubend verliert mensch beim Mitlesen der Lyrics des Öfteren den Faden, so schnell geht’s dahin. Etwa in »damlaung«, worin »sie di fressn mit die digitalen tricks«. Darin kommt ein gewesener disruptiver »bleder president« vor. Echt genial, wie darin Tuba und Potete (H-G. Gutternigg) sowie Trompete (Rainer Gutternigg) zur Geltung kommen. Noch gewiefter ist der fünfte, hochpolitische Track: »leider« widerspiegelt die autoritäre Mentalität der österreichischen Seele, basierend auf einem alten, eiernden Countryblues-Worksong. Vielleicht ist »leider« ungewollt eine Anspielung auf einen »new deal«, den zumindest Joe Biden, kluger und besonnener Nachfolger des »bledn«, in den USA anzuregen scheint. »i mog diese leid ned / diese leid meng ned mi / die glaubm dass bessare gibt / und schlechtare gibt / und die bessan des san oiwei sie«. Attwenger verstehen sich glänzend auf die Kunst des höheren Nonsens, etwa in »völlig wurscht« mit Fuzzman als Bassmann oder in »gelaber«, doch schimmert immer durch, wie sehr der Neoliberalismus in alpenbananenrepublikane Gehirne vorgedrungen ist. Es gäbe einen Ausweg aus dem finanzkapitalismusgetriebenen Hamsterrad, wo Binder in »a weng weniger«, das prächtig anzieht wie ein Schleiniger, schlussendlich sinniert: »es is doch so vadrad, / deng i ma e so wia die meistn / dauernd soin ma olle / midanaund irgendwos leistn / damid de nu mehr haum / denen e scho olles ghead / des ghead amoi gändad / bevor si wer beschwert / kau des sei«. Leopold Kohr (österreichischer Nationalökonom und Philosoph, der den Anarchismus rehabilitierte und Vordenker der Umweltbewegung war), schau oba! Der ist längst im Himmel der Guten, wie auch Caroline Binder-Pöstinger, Huckey Renner, Achim Bergmann, Kurt Holzinger, Mike Glück, Sigi Maron und Oliver Mtudkudzi, denen Attwenger dieses glorreiche neunte Opus widmen. Erstere, verstorbene Frau von Markus Binder, singt mit ihm auf dem Hidden Track Nr. 16 »my friend« zu Zitherumrahmung rührend in einer Miniendlosschleife: »scheiss di ned au my friend / olles wird guad aum end«. Diese tief zu Herzen gehende Miniatur soll gern auch als Mantra dienen, sich trotz aller Schicksalsschläge und Schwere nicht beirren zu lassen, weiterzumachen und die Möglichkeit einer Utopie einer Dystopie vorzuziehen. Doch muss eines noch gesagt werden: Hans-Peter Falkner schöpft gstanzlmäßig nur einmal aus dem Vollen, Songcredit und Gesang gehen in »i mog« an den Quetschnmeister und bringen mit der Lakonie eine weitere Stärke von Attwenger voll auf den Punkt: »winta koid / frühling boid« … Und weiterhin ist Markus Binder sich mit seinem Kompagnon Falkner einig, dass auch nach 30 Jahren eine – wenngleich sparsamer gehandhabte – Essenz des  Attwengerschen Schaffens ultraschnelle Polka-Rhythmen sind! Binder dramt »vo dem drum / und drommid umadum«. »drum« ist streetwise, subversiv durchdacht und auskomponiert und klingt trotzdem räudig und frisch. Sprach- und Klangkunst in superlativen Höhen!

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