Erst zwei Ausgaben von skug sind ins Land gegangen, seitdem es an dieser Stelle allerhand Lobenswertes über diverse Releases des in Bremen ansässigen Edel-Labels »Die Stadt« zu berichten gab. Und weil schon wieder eine beträchtliche Menge an neuen Tonträgern den Weg aus der angesprochenen freien Hansestadt auf meinen strengen Rezensenten-Schreibtisch gefunden hat, hier gleich Teil zwei dieser von nun an regelmäßig erscheinenden Serie. Besonders erfreulich, dass in der diesmaligen Lieferung gleich drei wirklich aufwändig und schön gestaltete 7″s dabei waren, ein Format, das sich trotz prinzipieller technischer Unzulänglichkeiten in Sachen Aufnahmedauer und Klangqualität durchaus als Trägermaterial für experimentelle Klangforschung – in diesem speziellen Fall namentlich industrial angehauchte Drone-Miniaturen – eignet. Auf eben solche lässt David Jackman unter dem Pseudonym ORGANUM tibetanische Hörner und ein Piano los, was auf »Die Letzte Musik Vor Dem Krieg« hervorragend funktioniert. Besonders die B-Seite hat es mir angetan; die Kombination von metallisch rasselnder Perkussion, einem dunklen Drone und dem atavistischen Röhren der tibetanischen Hörner ergibt ein wahrhaft infernalisches Klangerlebnis. »Ein Schwärzeres Schwarz«, eine weitere 7″ von ORGANUM, stellt mit der Reduktion auf einen sich wiederholenden, mittels Filter sehr harsch und dominant wirkenden, Pianoakkord als Hauptakteur, der sich zeitweise in Gesellschaft unscheinbarer Feedbackloops und einer leisen, entfernt an eine Trompete gemahnenden Melodie im Hintergrund befindet, eine Art Weiterentwicklung des Piano-Tracks von »Die Letzte Musik Vor Dem Krieg« dar. Ein sehr schönes Beispiel für den erfolgreichen Einsatz des Formats stellt schließlich die dritte, nicht näher betitelte 7″ dar, welche im Zuge einer Live-Performance im Lagerhaus Bremen veröffentlicht wurde und exklusive Beiträge der vertretenen Künstler beinhaltet. Auf der A-Seite experimentiert JOHN DUNCAN – wie schon auf seiner im Vorjahr erschienen CD »Phantom Broadcast« – mit Sounds von Kurzwellenradios, die B-Seite teilen sich C.M. VON HAUSSWOLFF mit dem großartigen Spoken Word-Track »The Way The Breeze Lays« und LEIF ELGREEN, dessen »The Gobblestone Is The Weapon Of The Proletariat« betitelter Beitrag mit dichtem, kräftigem Electronic/Vocal-Noise punktet. Die limitierte Spieldauer zwingt die drei Künstler, in den wenigen zur Verfügung stehenden Minuten Spannung und Atmosphäre aufzubauen, was in diesem Fall außerordentlich gut gelingt. Naturgemäß mehr Zeit können sich Thomas Köner und Asmus Tietchens auf »n«, dem vierten und abschließenden Teil der unter dem Pseudonym KONTAKT DER JÜNGLINGE erscheinenden Dokumentation ihrer Live-Zusammenarbeit lassen. Die etwas mehr als vierzig Minuten lange, im Stedelijk Museum in Amsterdam aufgenommene, CD mit nur einer Nummer vermag mich immer wieder mit ihren nicht enden wollenden, dunkel und unheimlich wirkenden Soundscapes in den Bann zu ziehen; noch besser gelingt dies jedoch JOHN DUNCAN mit seinem Album »Da sich die Machtgier…«, genauer gesagt mit dem vierten und letzten Stück der Disc, das sich in über 22 Minuten langsam und monoton zu einer eigenartig düsteren, apokalyptisch wirkenden Klanglandschaft, beeindruckend in ihrer hypnotisierenden Ausweg- und (scheinbaren) Endlosigkeit, aufbaut. Als Ausgangsmaterial für dieses Album dienten ausnahmslos Aufnahmen von Asmus Tietchens‘ Stimme, was aber im angesprochenen vierten und auch in dem, oft verwinkelten, rhythmischen Pulsen, dem Oszillieren und den Schwebungen der ersten beiden Stücken im Grunde nicht mehr erkennbar ist. Nur kurz, in »Das Ich macht…«, türmen sich Aufnahmen von Tietchens Stimme, Passagen aus zwei Texten von E.M. Cioran rezitierend, übereinander, werden delikat geschnitten, verzerrt und verfremdet. Schlussendlich soll auch der zweite Teil einer im Vorjahr gestarteten, umfangreichen Rerelease-Serie nicht unerwähnt bleiben, im Zuge derer alle frühen, bisher nur auf Vinyl erhältlichen, Alben von ASMUS TIETCHENS auf CD wieder veröffentlicht werden. Ursprünglich im Jahr 1981 auf Sky Records erschienen, finden sich auf »Biotop« kurze (Tietchens hatte sich selbst die Restriktion auferlegt, dass keines der Stücke länger als vier Minuten dauern dürfte), zwischen Melodie und Experiment pendelnde, synthetische Pop-Tunes, mit teilweise starken Referenzen an Kraftwerk, sowie zwei Bonus-Tracks aus dem Jahre 1979. Neben der durchaus wegweisenden und auch aus heutiger Sicht noch relevanten Musik, runden Reproduktion des Original-Artworks sowie aktuelle Liner-Notes von Asmus Tietchens das Gesamtbild angenehm ab.
Alle hier vorgestellten Tonträger können über die unten angeführte Label-Homepage bezogen werden.
>> www.diestadtmusik.de
>> www.koener.de
>> www.tietchens.de
>> www.kontaktderjunglinge.de