Das Magazin skug hat seinen Narren gefressen am Straßenraum, den wir mit dem Salon skug auf Rädern beradeln und in der Serie »Wem gehört die Straße?« gewürdigt haben. Irgendwie hat das alles was mit Umwelt zu tun. Mit dem bisschen, was jede*r selbst tun kann, und dem unermesslichen Reichtum an Bewusstsein, das wir uns wechselseitig schenken können. Dazulernen ist ja bekanntlich super, oder?
Ein volles Programm
Am Samstag, dem 10. Juni 2023 ab 14:00 Uhr wird es im 2. Bezirk auf dem Straßenabschnitt Große Stadtgutgasse zwischen Taborstraße und Castellezgasse zu Performance, Diskussion und Musik kommen: Letzte Waschung für ein Auto, um dieser sterbenden Mobilitätsform einen würdigen Abschied zu bereiten. Löcher in den Beton bohren, damit das darunter verborgene Leben wieder Atemluft erhält. Eine komplizierte und genehmigungsintensive Maßnahme übrigens, aber wenigstens lassen sich die Bohrkerne als LPs verkaufen. Gewusst wie. Die Straße kann gemessen werden, vom Feinstaub bis zu den Photonen. Die Werte von Geigerzähler und Co. werden per Synthi dann zum Klang der Straße. All das und vieles mehr wird Teil der künstlerischen Interventionen sein. Demnächst vorgestellt in der Serie »Wir sind der Verkehr« auf eben diesen Seiten des Internets.
Aber skug und insbesondere der Salon skug mit seinem skug Talk redet gerne mit und lässt niederschwellig alle Beteiligten und Besucher*innen mitreden. In zwei Talkrunden stellen wir zunächst die eingeladenen Straßeninitiativen vor und lassen uns von ihren Erfahrungen darüber berichten, wie ein gemeinsamer Stadtraum begründet und erobert werden kann. Das ist durchaus mit gewissen Hürden verbunden. In einem zweiten Talk stellen wir dann die Ergebnisse des Zukunftsrats Verkehr vor, den Leser*innen von skug ja schon gut kennen.
Der Zukunftsrat hat Bürger*innen aus der Region Wien, Burgenland und Niederösterreich zufällig ausgewählt, sie zum Gespräch mit Verkehrs- und Klimaexpert*innen geladen und sie dann gebeten, nach Wegen der Mobilität in der Ostregion zu suchen, mit denen die Klimaziele des Pariser Abkommens eingehalten werden können. Nicht von oben herab, sondern von unten herauf sollen Lösungen gesucht werden. Wir besprechen im skug Talk die Ergebnisse. Nur so viel vorab: Erstaunlich, wie sehr Menschen, die ernstgenommen werden, von ihren eigenen Interessen absehen können.
Ach ja, und Musik gibt es auch noch. Wir informieren zeitnah genauer über die Acts. Festhalten können wir schon, dass der Verkehr eigentlich ein »Verlehr« werden sollte (»Wir sind der Verlehr«), wie unser Straßen-DJ Drehli Robnik mit Blick für orthografische Details richtig anmerkt. Denn hier ist gedanklich manches festgefahren und sollte besser wieder verlernt werden. Dieses Verlernen gilt es mit Musik wieder in Fluss zu bringen. Damit es heißen kann, raus aus der Blase und den einengenden Verkehrskapseln und vielleicht sogar auf der Straße tanzen! (Hinweis an die Nachbarn: Bei moderater Lautstärke.)
Taktischer Urbanismus
Die Konfrontation ist übrigens die übellaunige Schwester der Begegnung – ganz ohne sie wird es nicht gehen. Bei aller Lust am Miteinander. Aber hier höhlt mancher stete Tropfen den Stein, wie der Alltag belegt. Der Hausbesorger, der seine Aufgabe gerne als Blockwart interpretiert und ständig ermahnt, weil er die Regeln zu exekutieren gedenkt, die auch sein Leben teilweise sinnlos einschränken, hält eines unerwarteten Tages plötzlich das Tor des Gemeindebaus auf, um das Lastenfahrrad in den Hof zu lassen. (Eigentlich sind da Räder verboten.)
Andere Straßennutzungen werden normal, einfach deshalb, weil es sie immer wieder gibt. Die Straße darf beispielsweise auch heute noch im Stadtgebiet mit Handkarren befahren werden. Ohne jetzt die Letzte Generation (die auch beim Fest vorbeischauen wird) auf gewisse Ideen bringen zu wollen. Es gibt keine Mindestgeschwindigkeit für den Stadtverkehr und Verkehrsteilnehmer*innen müssen nicht grundsätzlich den zu schnellen Autos weichen. Begegnen kann man sich nur bei moderater Geschwindigkeit und deshalb sollte es wieder normaler werden, dass sich Verschiedenes auf der Straße tut.
Fraglos ist das Nachdenken über den Stadtraum Teil eines gemeinsamen Kampfes. Der Klimawandel interessiert sich sicher nicht für »unsere Kultur«, zugleich könnten Kulturkämpfe jetzt der Todesstoß für die menschliche Zivilisation sein. In der burgenländischen Gemeinde Jois werden die Straßen von Traktoren blockiert. Die Menschen dort fühlen sich von der Politik alleingelassen und wünschen sich Lösungen gegen das Austrocknen des Neusiedler Sees. Ob die Idee, Wasser in einen Steppensee zu leiten, als »nachhaltig« gelten darf, kann diskutiert werden, aber die Sorge um die Zukunft teilen Bauern und Bobos. Das sollte uns wirklich verbinden.
Der Salon skug auf Rädern versucht mit seinen winzigen Mitteln, möglichst alle zum Diskurs auf der Straße zusammenzutrommeln. Mit taktischem Urbanismus wollen wir politische Hebel da ansetzen, wo sich etwas tut. Viel Erfreuliches geschieht ja gerade. In Deutschland kämpft die Klimabewegung schon längst gemeinsam mit den Gewerkschaften für Verkehr. Warum nicht auch in Österreich Bündnisse für eine gerechtere und klimafreundlichere Mobilität schließen? skug freut sich zumindest auf hoffentlich zahlreiche Gäste am 10. Juni 2023 im 2. Bezirk in der Großen Stadtgutgasse, gleich neben unserem Kooperationspartner Das T/abor, und wird in den nächsten Wochen die beteiligten Initiativen vorstellen – in der neuen Serie »Wir sind der Verkehr«.