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Molly Nilsson

»Zenith«

Dark Skies Association

80er Jahre-Reggae, Steeldrums, dick aufgetragene Synthies, mehr Dreampop, dafür weniger House und Techno: Molly Nilsson hat den Berlin-Hype überlebt und die Sehnsucht in ihrer nordischen Stimme klingt resignierter denn je. Für die kosmopolitische Generation, die ständig um die ganze Welt reist, bietet Molly Nilsson eigentlich den perfekten Soundtrack: »The lonely Planet is the only Planet for me« heißt es im ersten Song »The Only Planet«, der gleich zu Anfang Bezug nimmt auf die Bibel der Rucksacktouristen.
Ständig von Leuten umgeben und doch allein. Das ist wohl auch das Grundgefühl von Molly Nilsson. Die ehemalige Garderobenkraft im Berghain hatte schon immer das Zeug zum It-Girl, aber in einer souveränen Do-It-Yourself Version. Mit weiß gefärbtem Haar, langen schwarzen Mänteln und hochhackigen Stiefeln pflegt sie den Kunsthochschulen-Chic zwischen Gothic und Techno.
Synthie-Hymnen mit pumpenden Billig-Beats: Der zweite Song, »1995«, haut rein und hat wie in den besten Momenten von Molly Nilsson tatsächlich die Fähigkeit uns für drei Minuten wegzubeamen in die Zeit von Windows 95. Damals war die Internet-Euphorie noch groß. Apropos Euphorie: Nillsons unterkühlte Stimme und die teils trägen Beats erinnern eher daran, wenn diese nachlässt. Wie nach einer durchgemachten Nacht im Club: Reste der Euphorie sind noch in den Knochen und man torkelt mal wieder alleine nach Hause und kuschelt sich in die Illusionsblasen aus kaltem blauen Rauch und Neonlicht. Ausgestorbene Großstädte in der Nacht.
»In the Search for Love – All Alone in the Night« heißt es in Nillsons Streifzug durch die Metropolen, dem Song »H.O.P.E.«. Einen musikalischen Seelenverwandten hatte sie übrigens 2011 in John Maus gefunden, der ihre Lowfi-Ästhetik bewundert und daraufhin ihren Song »Hey Moon« coverte. Wer also auf flächigen Dreampop im Stile der Chromatics, romantischen Eskapismus á la Beach House oder auf elegante Lyrik in der Tradition von Anne Clark steht, wird sich an Molly Nilsson erfreuen. Einziger Wermutstropfen bei diesem Album: die zu glatt geratene Produktion. Das Mastering macht die skizzenartige Spontanität von Molly Nilssons Vorgänger-Alben etwas kaputt. Damals war die Hektik des ständigen Unterwegsseins mehr zu spüren. Nun klingt alles eine Spur zu sehr nach uninspirierten Studiosessions. Die vielen Reisen scheinen Molly Nilsson ermüdet zu haben.

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