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Jonas

Sorry, I'm Sorry, Sorry

L'Age D''Or

Das Markante an Jonas aus Bad Bentheim in Niedersachsen (das »Lower Saxony«
von Stella) ist, wie wenig ihre drastische Unzeitgemäßheit irgendeinem
dankbaren Interpretationsschema entspricht: Was sie machen, kommt – nach
allen Kriterien von Mode, Innovation, SPEX-Verordnung – schlicht zehn Jahre
zu spät, ist die Fortsetzung, besser: Beibehaltung, von US-Indie-Rock der
frühen 90er mit exakt denselben Mitteln. Klingt wie Lemonheads (Track 1),
Dinosaur jr. (2), »Today« von den Smashing Pumpkins (3), jeweils originaler
und ultimativer als die Originale; der Rest destilliert gekonnt Mudhoney
und Nirvana. »Unschuldig« ist da als Chiffre rasch zur Hand. Jonas?
Auftritt 1998 im Wiener B 72 – mit Zottelmähne, kariertem Flanello und
rissigen Jeans – mochte man als Faschingsscherz deuten; spätestens ihr
zweites Album macht jedoch klar, daß das ERNST gemeint ist: weder Parodie
noch Konzeptkunst, für ein Revival zu früh und aktuell nur im Sinn der
intensiven Präsenz, mit der Jonas traditionelle Rituale praktizieren:
Verzerrung und Ausbruch, Verzweiflung und Wehmut, Ballade und Noise in
Moll. Der Gesang nutzt englische Worte – viel expressives Ich: »Who am I?
Am I you?«, »I am full of bored meat!« etc. – versiert als Phraseologie und
Sound eines Genres (nicht viel anders als das Soul-SängerInnen seit jeher
tun). Jonas sind knapp zwanzig und haben in Jan Müller einen Mentor und
Produzenten, der beim Durcharbeiten seiner Indie-Rock-Vergangenheit mit
Tocotronic, bei denen er Bass spielt, komplexere Wege geht. Für Jonas
hingegen ist ewig 1992. Das ist nichts Schlechtes, wenn man bedenkt, was
danach an Schas gekommen ist. Und wer will schon, dass die Landjugend – ich
meine das nicht blasiert oder soziologisch, sondern im Sinn der »inneren
Landjugend«, auch in Leuten wie mir, die in Großstädten wohnen, um die 30
sind und lieber Make Up oder Cassius hören – gänzlich von Liquido und
Snowboard-Crossover verschluckt wird? Außerdem ist das erste Stück des
Albums so schön, dass man weinen möchte.

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Text
Drehli Robnik

Veröffentlichung
02.04.1999

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