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Foetus

»Soak« / »The Blue Eyes Original Soundtrack«

Ectopic Ents

Vor einiger Zeit hat JG »Foetus« Thirlwell diese beiden Alben auf seinem eigenen Label veröffentlicht und sie könnten unterschiedlicher – und kohärenter – nicht sein. »Soak« ist eine Art spin off des letzten regulären Foetus-Albums »Hide« (2010), während »The Blue Eyes Soundtrack« seinen Produktionen in Richtung der Cartoon-Serie »The Venture Bros.« zuarbeitet und die Tonspur des gleichnamigen Films von Eva Aridjis darstellt.
Dass hier ein heftigst ratterndes, rauschendes und schwelgerisches Kopfkino angeworfen wird, muss dabei nicht weiter ausgebreitet werden. Beinahe zeitgleich herausgebracht, legen diese zwei Werke den ganzen Kosmos dieses Klangberserkers bloß. Beides sind Konzeptalben, beide spielen mit den in den letzten Jahren zur Perfektion getriebenen Ûberraschungs- und Cut-Up-Momenten zwischen elektronischem Noise und orchestralem Bombast. Nehmen wir gleich die ersten beiden Tracks auf »Soak« namens »Red and Black and Gray and White« und »Pratheism«: JGT surft durch Stile und Zeiten als wären sie nichts, Blues-Salsa-Lärm-Barock-Suspense-Choräle elektronifiziert, dazu seine Vocoder-martialische Stimme im call and response mit dem Background.
Ähnliches bei »Blue Eyes«: Streicherpassagen, angelegt irgendwo zwischen Neoklassik und B-Movie-Scores, wähnen in Kombination mit sphärischen Bläsersequenzen in Sicherheit, und genau dann, wenn diese Zustände einsetzen, lässt JGT der Dramaturgie freien Lauf. Es ist, wie man in der Werbung sagen würde, ganz großes Gefühlskino; siehe etwa die »Soak«-Nummern »Halloween«, klarerweise eine Carpenter-Reminiszenz, oder »La Rua Madureira«, ein Cover des Chansoniers Nino Ferrer. Nur eben dass aus dem Lachen im vorgehaltenen Spiegel eine Zerrfratze wird.
Wie kaum ein anderer erschafft JGT Emotionskammern, die von ihrer Nicht-Balance leben, obwohl diese Momente der Verstörung und des Schreckens die genau diametrale Entsprechung zu innerer Ruhe, Ausgewogenheit und – ja auch – abgefeimtem Spaß kartografieren. Schließlich ist auf »Soak« dann auch ein Geschichtsbeschleuniger dabei: der Elektronik-Klassiker »Warm Leatherette« von The Normal erfährt in seinen Händen ein gebührendes Update, das der Version von Erik Friedlander/Teho Teardo (auf »Giorni Rubati«, 2006) weit eher verwandt ist als dem Original. JGT hinterlässt wieder einmal exponentiell mehr Fragen als Antworten.

 

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