skug is hitting the ROTOR. Wir freuen uns über die Einladung ins Künstlerhaus am 3. Dezember, beschallen ab 18:30 Uhr den Raum und bringen noch gleich wen mit. Dazu gleich. Seit – ist es denn die Möglichkeit? – bald 35 (in Worten »fünfunddreißig«) Jahren gibt es skug. Seit 35 Jahren versucht unser Magazin, Musik, Kunst, Film, Tanz etc. einerseits und »politische Analyse« anderseits zu verbinden. Das heißt auch, Szene(n) aufzuspüren und sichtbar zu machen. Doch warum braucht es sowas? Reicht es nicht, wenn wer was »Cooles« macht – und dann hört oder sieht sich das Publikum das an und denkt, »cool«? Stimmt, kann komplett ausreichen. Braucht niemand notwendig einen Beipackzettel, manche Sachen sind einfach so, wie sie sind, erlebbar. Und gut ist’s.
Aber mit der Kunst ist das zuweilen so eine Sache. Sie wird schnell schal und staubig, wenn sie sich nur um Augenreiz und Hörgenuss dreht. Denn Kunst will ja »Welt« transportieren, kommentieren und – jetzt kommt’s! – sogar: ändern. Will sagen, Kunst ergreift Welt. Und da ist nicht immer sofort klar, wie ihr das gelingt. Das muss zwar interpretiert werden, und das macht Spaß (siehe die mehr als zehntausend Artikel auf dieser Seite), andererseits ist Kunst Spielball von Einflussinteressen. Sie wird benutzt, man darf sagen, sogar ausgenutzt. Nein, jetzt kommt nicht dieser langweilige Teil aus dem Schulunterricht mit dem Faschismus und wie Ideologien sich in Baukunst und Malerei … Also, den Sachverhalt kennen ja alle, so wichtig er auch sein mag. Heute wird Kunst zur Repräsentation von Reichtum ausgenutzt. In einer Weise, die durchaus in ihrer Maßlosigkeit neuartig ist und sogar immer gravierender wird.
Ist das alles Banane?
Die Kunst glaubt, sie könnte sich wehren und versucht es mit Schnippchen. Aktuelles Beispiel: Der Konzeptkünstler Maurizio Cattelan lässt eine Banane mit Klebeband an die Wand picken und wiederholt damit eine schnoddrige Geste, die es in den letzten hundert Jahren manches Mal schon gab. (Hatte sie ihren frühen Höhepunkt, als Piero Manzoni seine eigene Scheiße eindosen ließ?) Dies drückt fraglos ein berechtigtes Misstrauen gegenüber dem Werkcharakter in der Kunst aus. Viel bemerkenswerter ist aber, dass ein Krypto-Investor die Banane für mehr als sechs Millionen Dollar gekauft und einfach aufgegessen hat. Ja ist er denn verrückt? Sechs Millionen verputzt? Nein, denn er promotet sich damit selbst. Und das Bananenkunstwerk ist ohnehin nur ein »Token«. (Der Investor hat das Recht, jederzeit wieder eine frische Banane aufzukleben, sie muss sogar laut Künstler ausgewechselt werden, bevor sie faul wird.) Und dabei sieht die Kunst ein bisschen alt aus – nicht wahr? Die Geldmaschinerie hat ihr ein Schnippchen geschlagen. Wo sind die guten alten Zeiten hin, als sich Mäzen*innen noch aus Liebe zur Kunst verausgabten und pleite gingen? Oder ist es doch anders? Ist das nur die Fortsetzung des Kunstkonzeptes? Können wir im Künstlerhaus gerne diskutieren.
Dennoch, Kunst steht heute in einem schlechten Licht, das aber äußerst lukrativ ist. Seit mindestens vier Jahrzehnten haben die reichsten Menschen der Welt das Steuerzahlen weitgehend eingestellt. Mehr noch, sie können herumknatschen und bekommen noch mehr Kohle vom Gemeinwesen. Glücklich macht sie das aber nicht. Hinter dem Lächeln des reichsten Mannes der Welt steckt so viel Kälte, dass einem der Mate-Tee im Becher einfriert. Menschen wie Elon Musk – man nennt sie »Oligarchen« – haben ein ganz deppertes Problem: Ihr Geld muss investiert werden. Sie bringen es nicht über sich, Geld für etwas auszugeben, was dann weg ist. So wie wenn sich Normalos eine Banane kaufen. Die ist nach dem Verspeisen verschwunden. Okay, nicht ganz, ein bisschen was kommt wieder hervor. Aber vergesst es, das braucht ihr nicht einzudosen, eure ist wertlos. Wer viel Geld hat, will anlegen und »muss« es sogar. Weil in einer Industriegesellschaft Gebrauchsgüter immer wertloser werden (Nein, nein nicht für dich, Schatzi! Für dich wird alles teuer. Weil du eben kein Kapital hast), müssen Reiche investieren. Das machen sie gerne in Kunst, weil die eine meist gesicherte Wertsteigerung verspricht. (Zumindest solange alle mitmachen. Aber warum sollten sie aufhören? Bild von einem traurigen Affen gefällig? Das nennt man NFT.) Und auch ganz, ganz beliebt ist das Investment in Immobilien.
Dieses Haus ist euer Haus
Damit wären wir jetzt inhaltlich beim Künstlerhaus gelandet. Ein österreichischer Oligarch hat sich das Häuschen geschnappt: Plan war, die selbst gesammelte Kunst darin aufhängen zu lassen, damit sie dadurch noch wertvoller wird. Geile Idee! Oder? Österreichs Politik versank gnädig im Staub: Ein reicher Mann will investieren! Da müssen wir ihm gleich noch mehr Geld geben. Dann tat man aber nicht genau alles so, wie es unser Wohltäter wollte, da wurde der auch noch patzig. Alles nachzulesen auf skug, Schlagwort »Künstlerhaus«. Faszinierend, aber so läuft das eben. Nur, das war nicht der Grund, warum dieses prächtige Haus einst gebaut wurde. »Das Künstlerhaus ist ein historischer Ort für die Selbstorganisation von Künstlern und Künstlerinnen. Stellen wir uns vor, dass eine Künstlergruppe gratis ein Grundstück erhält, darauf gemeinsam ein Palais-artiges Haus baut und als Akt der Selbstbestimmung bespielt.« Den Teil mal setzen lassen. »Heute entscheiden Investoren.« So musste vor mehr als fünf Jahren von Aktivist*innen festgehalten werden, wie es eben läuft mit der Freiheit der Kunst in Zeiten des übergroßen Geldes. Und das ist nun wirklich kein Einzelfall. Ein anderes Beispiel wäre die zukünftige Superhalle in Wien.
Worum geht’s dabei? Nach dem kürzlich erschienenen Kommentar von Leslie Samtpfote hier nur ein kurzer Recap: Die Stadt plant, eine Event-Location auf einem riesigen Gelände zwischen der Maria-Jacobi- und der Karl-Farkas-Gasse im Wiener Grätzl Sankt Marx zu errichten. Offiziell gehört es der Wien Holding GmbH. Sie hat jedoch nie mit dem Bau begonnen – ein Start ist nicht in Sicht. Deshalb wird das Gelände seit Jahren von den Anrainer*innen genutzt. Wofür? Die Initiative St. Marx für Alle! fasst es zusammen: »Ein Gemeinschaftsgarten, ein Basketballplatz und ein selbst gebauter Skatepark sind selbstverwaltete Projekte vor Ort, bei denen sich Menschen frei von Konsumzwängen begegnen. Viele Menschen nutzen diesen städtischen Freiraum für Spaziergänge, Ballspiele, Baulückenkonzerte, Flohmärkte, Ausstellungen, Theaterstücke, Partys und vieles mehr.« All das droht nun, verdrängt zu werden, wenn die Stadt ihre Pläne umsetzt. St. Marx für Alle! befürchtet: »Ein Event in der geplanten Halle wird wohl kaum für freie Spende zu sehen sein. Mit dem Bau der Eventhalle würde dieser Begegnungsort der Kommerzialisierung zum Opfer fallen und ein exklusiver Ort für zahlende Gäste werden.« Ein Elitenprojekt also, dass auf dem Rücken lokaler Kulturinitiativen erbaut würde.
Ein ähnlicher Fall: das Kulturzentrum 4lthangrund. In der ehemaligen Mensa der Alten WU bietet es aktuell 25 Initiativen ein Zuhause, darunter Awa*, System Change, Not Climate Change und »Unter Palmen«. Es umfasst eine Foodcoop, eine Galerie, eine Siebdruckwerkstatt sowie Veranstaltungsräume – in denen der Salon skug auch schon zu Gast war. Für diese beeindruckende Arbeit hat das Kulturzentrum 2024 den Preis der freien Szene Wien gewonnen. Doch 2026 läuft der Mietvertrag aus. Eine Alternative ist derzeit nicht in Sicht. Der Ort für freien Austausch droht einfach zu verschwinden.
Wir drehen am Rad
Immer ein ähnliches Lied. Im Grunde wissen alle Beteiligten, dass man Kunst und Kultur nicht unbedingt gut macht, wenn man schwer geil aufs Geld ist. Wir wissen, dass Kulturausübung schön, erhellend, bereichernd für die Gemeinschaft sein kann und deswegen Ziel und Zweck an sich sein sollte. Genauso ist allen klar, dass man von Kunstschaffenden und Kulturausübenden nicht verlangen kann, dass sie ihr Geld noch mitbringen. Insbesondere beim Immobilienerwerb sind sie längst komplett abgehängt. Das macht das große Kapital längst mit sich selbst aus. Wo sind dann aber die Räume für das Experiment, für die Gestaltung und der Freiraum? Wie können lokale Initiativen sie schaffen? Und der Immobilienbranche dauerhaft entreißen? Eine Stadt braucht nichtkommerzielle Freiräume, wenn sie keine Schaufensterauslage von Gucci und Co. werden will.
Es freut uns sehr, dass sich das Künstlerhaus bereit erklärt hat, diesen Fragen bei der von Michael Fischer kuratierten Veranstaltungsreihe ROTOR eine Bühne zu geben – bei freiem Eintritt. Mindestens genauso feiern wir es, dass Aktivist*innen von St. Marx für Alle! und 4lthangrund in den Startlöchern sind, um im Gespräch mit skug ihre Initiativen vorzustellen. Fragen wir uns, wie sich Freiräume erkämpfen lassen! Freilich wäre es nicht genug, nur über die Bedingungen von Kunst zu sprechen, aber die Kunst vor der Tür zu lassen. Deshalb gibt es obendrauf schöne Musik: Spur B legt Vinylscheiben auf den skug-Rädern auf. Wir freuen uns auf euch am Dienstag, dem 3. Dezember 2024 ab 18:30 Uhr im Künstlerhaus! Zugang über die Bösendorferstraße 10, barrierefrei.
P.S.: Ähnliche Thema beackern wir zwei Tage später bei unserem Salon skug im SchloR. Am 5. Dezember 2024 sprechen wir über gemeinschaftliche Wohn- und Kulturprojekte. Und hören anschließend den Lo-Fi-Dream-Pop von Ines Wurst. Ob Dienstag oder Donnerstag: Kommt vorbei!
Link: https://www.kuenstlerhaus.at/besuch/kalender/veranstaltung/1619/rotor-20-sound-and-performance.html