»Ye« (»The Night«) © Zhou Hao
»Ye« (»The Night«) © Zhou Hao

Queeres Kino aus China

Einer der Filme, die während der Berlinale nicht am Wettbewerb teilnahmen und auch sonst nicht genug Aufmerksamkeit bekamen, ist »Ye« (»The Night«), der Erstling des damals 21-jährigen chinesischen Filmemachers Zhou Hao aus dem Jahr 2014, der heuer im Panorama ein zweites Mal gezeigt wurde.

In seinem äußerst atmosphärischen, stilsicheren Film »Ye« (»The Night«) zeigt Zhou Hao die Beziehung zwischen drei jungen Menschen, die sich langsam näherkommen, und übernimmt dabei selbst eine der Hauptrollen. Hauptspielort ist eine sehr enge, dunkle Gasse in einer chinesischen Stadt, in welcher auf Freier gewartet wird. Unmöglich, sich in dieser Enge ohne Körperkontakt zu begegnen. Und so kommen sich der von Zhou Hao gespielte Hauptdarsteller und eine neue, junge Arbeiterin näher, haben Lust aufeinander, spielen miteinander, geben sich Namen von Blumen, wie es in China üblich ist: sie Narcissus, er Tuberose. Kuscheln, küssen, arbeiten. Alles passiert in der Dunkelheit der engen Gassen und entwickelt so eine geheimnisvolle, äußerst erotische Atmosphäre. Alles läuft »gut«, bis der junge Freier Rose sich in Tuberose verliebt.

»Ye« (»The Night«) © Zhou Hao

Das Spannende daran ist, wie sich mit der relativen Aufhebung von Geschlechtergrenzen eine Spannung zwischen den drei Individuen aufbaut, die auf den mysteriösen Persönlichkeiten und der Lust der drei Protagonist*innen fußt. Es ist diese Lust, die sie alle drei miteinander verbindet und in den außergewöhnlichen Spielorten so magisch wirkt. Zhou Hao hat mit einem Budget von etwa 1.000 US-Dollar (die so gut wie gänzlich für die Promotion bei der Berlinale 2014 draufgingen) einen fantastischen Film gedreht, der leider in seinem Heimatland wenig Zuschauer*innen erreichen wird. Beiden Festivals, die seine Filme zeigten, wurde die finanzielle Unterstützung entzogen. Wollen chinesische Künstler*innen ihre Filme im eigenen Land zeigen, müssen sie oft tricksen, um queere Themen ins Kino zu schleusen. Ist in dem einseitigen DIN-A4-Antrag, den die Künstler*innen ausfüllen müssen, um an Festivals teilnehmen zu können, beispielsweise von »seinem Lover« die Rede, ist es möglich, dass mit dieser geschickten englischen Ausdrucksweise ein gleichgeschlechtlicher Lover versteckt ist, wie Xiang Zi, Regisseurin des Films »A Dog Barking at the Moon« auf der Berlinale erzählt. Besser wird es wahrscheinlich nicht in den nächsten Jahren. Deswegen heißt der Titel auch »Queeres Kino aus China«, nicht »in China«.

Link: https://www.berlinale.de/de/programm/berlinale_programm/datenblatt.html?film_id=201911388

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Text
Lutz Vössing

Veröffentlichung
19.02.2019

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