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Orges & The Ockus-Rockus Band

»Peshk«

Toçe Records

Orges Toçe ist vermutlich kein Mann mit hektischem Veröffentlichungsdrang. Zumindest lassen die Erscheinungsdaten der Alben seiner Orges & The Ockus-Rockus Band 2011, 2014 und aktuell 2020 darauf schließen, dass es da einer ganz gern mal langsamer angeht. Das kann aber auch daran liegen, dass Toçe in so viele musikalische Projekte involviert ist. Er spielt(e) etwa mit Thomas Gansch, Alex Miksch u. v. a. und war maßgeblich als Gitarrist am Erfolg von Wilfrieds letzter, großartiger Schaffensphase beteiligt. Mit »Peshk« (dt. Fisch, als eine Kreuzung aus Fisch und Mensch blickt uns ein gezeichneter Orges Toçe vom CD-Cover entgegen) setzt der in Albanien aufgewachsene Toçe mit der Ockus-Rockus Band (Ockus-Rockus ist eine Verballhornung von Hokus-Pokus mit Rock-Schlagseite) mit seinen Mitstreitern Christian Marquez-Eberle an der Batteria und Bernd Satzinger am Double Bass exakt dort an, wo »Export-Import« 2016 aufgehört hat.

Im Zentrum des Albums steht Toçes gewaltig angeraute Stimme, die irgendwo zwischen Georgij von Russkaja und Tom Waits angesiedelt ist. Dazu kommt Toçes beeindruckende Gitarrenarbeit, die in manchen Passagen klingt, als hätte er sein Handwerk noch bei Django Reinhardt persönlich gelernt. Die Band selbst bezeichnet ihren Stil gern als Balkanbilly, was durchaus zutreffend ist. Zugleich finden sich ein nicht geringer Anteil Fingerpickin’ Country und Balkan-Gypsy-Swing, Rock’n’Roll, sowie eine verquere Jazzästhetik und sogar mehr als nur eine Prise Ska und Tango in den Stücken. Markant an »Peshk« ist unter anderem, dass beinahe alle der 17 Stücke mit knapp einer Stunde Laufzeit auf einem hohen Energielevel mit jeder Menge widerständigem Off-Beat daherkommen. Man würde sogar gerne mitsingen, wäre man nur der albanischen Sprache mächtig. Bis auf die comicartige Variante eines Wienerlieds »Nächste Woche zahle ich garantiert« sind alle Songs in albanischer Sprache gehalten (ein kleiner Ausflug ins Spanische ausgenommen), was das Verständnis der Lyrics für gelernte Österreicher*innen nicht gerade erleichtert. Anderseits ist das Albanische auch das Besondere an der Ockus-Rockus Band!

Als kleine Hilfestellung bietet sich das liebevoll gekritzelte Booklet an, das jedem Song eine Seite widmet. Zudem kann es auch inspirierend sein, sich eine eigene Story zu den Stücken zu imaginieren. Anbieten würden sich z. B. kleinkriminelle Raubersg’schichten, ausufernde Saufgelage (der Song »Fiesta«) oder schwierige Beziehungen. Wobei bei Toçe ein gerüttelt Maß an Sozialkritik sicher auch nicht zu kurz kommt. Beeindruckend ist auch, mit welcher schlafwandlerischen Sicherheit das Trio korrespondiert und harmoniert. Marquez-Eberle trommelt mal sanfter, mal energischer mit Kreativität und Präzision aus dem Off, und Satzinger demonstriert nicht nur einmal, welch unglaublich knorrige Sounds man aus einem Double Bass kitzeln kann. Gelungen ist auch der immer wieder einsetzende voluminöse Trio-Gesang. Es fällt nicht leicht, einzelne Songs herauszupicken, am ehesten vielleicht noch – weil ungewöhnlich – das bereits zitierte »Nächste Woche zahle ich garantiert« oder das extrem reduzierte »Vape« am Ende dieser musikalischen Wundertüte. Wenn Niccolò Paganini der Teufelsgeiger seiner Zeit war, ist Orges Toçe der Teufelsgitarrist der Gegenwart!

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