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Modern Feelings

»Modern Feelings«

PUU/Sähkö

Dieses Quartett rund um Anton Nikkilä vereint vier Generationen finnischer Experimental- und Free-Jazz-Musik. So war der Pianist Pekka Airaksinen mit The Sperm schon in den 1960ern aktiv, Samuli Tanner werkte als Drummer in der Punkband Ponytail und der aktuelle Bassist Henri Nikkilä wurde 1995 geboren. Dass diese Platte auf PUU, einem Sublabel von Säkhö, erscheint, und Tommi Grönlund produktionsmäßig seine Finger im Spiel hatte, ist nur konsequent. Im Vorfeld der Aufnahmen hatte Nikkilä die anderen Bandmitglieder mit »leichtem« Jazz der 1950er bis 1970er zugedröhnt, um sich daraus sowohl Anleihen wie Abneigungen zu holen. Es ließe sich von einem (Musik-)Geschichtsbeschleuniger sprechen gemäß dem Motto: Jazz as kaputt as can be. Modern Feelings klingt, was sich Jimi Tenor mit seiner Band Kabu Kabu in Reminiszenz an Sun Ra dann doch nicht (zu-)getraut hatte. Wobei auf dieser Platte nicht Space-Funk das Maß der Dinge ist sondern am ehesten – wie beinahe immer bei Nikkilä – eine Art von Medienarchäologie. Ähnlich wie Nikkiläs Arbeiten mit Alexei Borisov, vollführt auch Modern Feelings De- und Rekonstruktionen zwischen Jazz, Muzak und Improvisation mit einer heftigen Schlagseite hin zu Mätzchen, Schmonzetten und spielerischen Tricks. Nur eben in einer Ensemble-Formation. Sagen Sie nicht Cut-Ups dazu. Vielmehr geht es um gegenseitige Transgressionen, bei denen die Quellen, aus denen sie sich speisen, genauso prominent vertreten sind wie ihre Weiterführungen. Wäre das hier Electronica, könnte man vielleicht Glitch dazu sagen. Wäre das hier Jazz, könnte man vielleicht Free Jazz dazu sagen. Modern Feelings ist all das und wieder auch genau gar nicht. Man ist schier erschlagen von dem Information Overload, der hier abgelassen wird. Ein gewisser Nerv-Faktor ist sicherlich intendiert. Dabei blickt das Quartett aber nicht quasi rückstandslos in die Zukunft, sondern verhandelt historisches Material als eine Startrampe für Aussagen über das Heute. Ein stilsicherer Anschlag auf die guten Sitten, schwer subversiv, hoch genüsslich.

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Text
Heinrich Deisl

Veröffentlichung
11.12.2014

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