Die letzten Wochen und Monate (ja, so lange dauert das nun schon …) haben wir uns bei skug redlich bemüht, das Beste aus der Krise zumachen. Mit drei Serien und zahlreichen sonstigen Berichten zum Thema Coronavirus versuchten wir, die Situation kulturjournalistisch einzufangen. Eine Befürchtung schwang dabei leider mit: Das Schlimmste kommt vielleicht noch. Damit soll nicht nur gemeint sein, dass dem Virus menschliche Haltungsänderungen herzlich egal sind. Wenn die Menschen erlöst aus dem Lockdown aufwachen, dann kommen für COVID-19 schlicht jede Menge neue Wirt*innen ans Licht. Wie das auf Dauer werden soll, können – wenn überhaupt – nur Naturwissenschaftler*innen ermessen und Politiker*innen müssten daraus besonnen und klug Schlüsse ziehen. Das Virus ist schließlich ein Naturphänomen und gehört als solches behandelt. Die vorsichtige, pessimistische Prognose lautet leider: Es sieht nicht danach aus. Vielmehr wird alles in ein politisches Schlachtfeld gezogen, auf dem es einzig um den jeweiligen opportunistischen Erfolg zu gehen scheint. Von Trump bis Kurz sind augenblicklich Politiker*innen an der Macht, die der moralischen Aufgabe einer Pandemiebewältigung nicht gewachsen sind. Dies kann unabsehbare und schwerwiegende Folgen haben.
Die Karten werden neu gemischt
Was in den USA Trump oder in Großbritannien Johnson vorhaben, wird in Österreich in possierlicher Operettenmanier von Kurz und Blümel nachgestellt. Es geht um die weltweite Errichtung einer »Ass-kiss-Ökonomie«. Weil gerade so ziemlich alle Industrien pleitegehen (bis auf die wenigen Profiteur*innen der Krise), sind alle von staatlichen Zuwendungen abhängig. Die Verteilung der Gelder aus den gigantischen Rettungspakten dient aber nicht parlamentarisch debattierten und demokratisch entschiedenen Maßnahmen, sondern wird über Hintertür-Notverordnungen geregelt, deren Ermessungsspielraum bis unter die Decke reicht. Die realpolitische Folge ist, dass Geld nur erhält, wer ein Bussi aufs Bäckchen drückt. Die anderen können die Almosen einsammeln, die aus der Kutsche kullern. (Siehe Essensgutscheine oder 500 Euro »Soforthilfe« für vom Ruin bedrohte Unternehmen). Insbesondere der türkisen ÖVP gefällt dies sichtlich prächtig und wir können uns Kurz und Blümel gut in Allonge-Perücke vorstellen. Das herablassende Regieren per Dekret, das Sammeln der Günstlinge und Beruhigen der ahnungslosen Masse. Es geht voran in Österreich mit dem Desaster-Kapitalismus Version K&B.
Insbesondere für die Kunst und den Mediensektor ist dies eine teilweise letale Katastrophe. Diese »Industrie« kann in guten Zeiten kaum auf eigenen Beinen stehen, während Corona ist sie ohne Publikum komplett erledigt und wird auch in den kommenden Jahren kaum auf sonderlich spendierfreudige Gäste hoffen dürfen. Kunst braucht den Zuschuss und aktuell zeigt sich endgültig, dass der Gesellschaftsvertrag mit Künstler*innen diese nicht schützt. Insgeheim gilt das Künsteln als überspanntes Hobby und wer nicht zu den nicht einmal ein Prozent gehört, die damit reich wurden und dann regelmäßig abgefeiert werden, der*die musste sich aus anderweitiger Erwerbsarbeit quersubventionieren. Und die wird jetzt auch knapp. Damit wird künstlerischer Ausdruck in einer seltsamen Weise limitiert, die sehr wohl bestehenden Machtinteressen förderlich war und ist. Das »freie und ungebundene Wort« der Künstler*innen wird in Sonntagsreden über den grünen Klee gelobt, gleichzeitig scheint es das Normalste der Welt zu sein, dass, wer diesen Mut beweist, ab Monatsmitte hungert.
Beschwert euch!
Darum kann es nur heißen: »Du musst dir alles geben.« Wer jetzt nicht krakeelt, wird nie mehr gehört. In der Ass-kiss-Ökonomie des hochwohlgeborenen Baron Kurz wird nur mit den anderen Räuberbaronen verhandelt, wenn der Druck der Straße nicht groß genug wird. Von dieser Regierung ist für Subkultur und subversive Kunst nix zu erwarten. Bildlich können wir uns vorstellen, wie Kanzler, Finanzminister und Wirtschaftsministerin die heißen Tränen über die gepuderten Wangen rollen, wenn sie erfahren: »Oh weh, ojemine! Ein linkes, alternatives Kulturzentrum musste schließen. Nein! Wie kann ein liebender Gott dies zulassen?« Oder: »Unfassbar, eine kritische, linke Zeitung muss aufgeben? Mein Schmerz währet nunmehro immerfort!« Besser, wir trocknen die Tränen unserer Volksvertreter*innen, noch bevor diese vergossen werden, und kämpfen jetzt für größtmöglichen Lohn und fairste Bezahlung der Kunstproduzent*innen und zugleich für die bestmögliche Ausstattung der Kunsteinrichtungen. Dies ist einerseits Teil genau jenes Konjunkturprogramms, das unsere Corona-gerüttelte Gesellschaft braucht, und andererseits gibt es ohne die Kunstproduktion keine freie und offene Gesellschaft, sondern nur einen Haufen verblödeter Höflinge.
Deswegen bitte am Freitag, dem 29. Mai 2020 ab 17:30 Uhr bei der 2-Meter-Abstand-Demo für Kunst & Kultur am Maria-Theresien-Platz vorbeischauen! Und natürlich den entsprechenden Sicherheitsabstand halten. Die Demo soll keine Corona-Party werden. Das überlassen wir den durchgeknallten, rechtsradikalen Querfrontlern Xavier Naidoo und Sido, die gerne in ihrer selbstgequirlten, braunen Suppe baden dürfen.