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Jörg Leichtfried Trio

»Magicians Sounds And Other Beauties«

Art-Records

Schon wieder eine Zeitreisegeschichte. Ab durch den Zeittunnel und hinein ins New Yorker Village Vanguard, dem legendären Jazzclub, irgendwann in den späten 1950ern, frühen 1960ern, als Pausenfüller zwischen Art Tatum und Bill Evans. Nur so zum Beispiel. Das würde den definitiven Charakter formen, den musikalischen vor allem. Erst würde Art Tatum dem Herrn Leichtfried das etwas unangenehme Gefühl vermitteln, dass er zirka das siebentausendeinhundervierundvierzigste Weißbrot ist, das vom Schwarzbrot klaut, dann würde er ihm mit diabolischer List ein Duell coram publico vorschlagen. Natürlich säuft Leichtfried gnadenlos ab, die Tricks, die Gravität, die Raffinesse von Musikern, die um ihren Unterhalt ebenso wie um ihre Identität klimpern mussten, die hat man als Konservatoriumsabgänger nicht. Eine Stunde später liegt Leichtfried deprimiert im Eck. Er hat erkannt, dass wahrer Jazz gelebt und erleidet, nicht bloß erlernt werden muss. Ein Jahrzehnt später hat er sich vielleicht aus dieser Depression freigespielt, mit einem weniger federnden, weniger kraftvollen, dafür weitaus »beredteren« Anschlag. Und dann womöglich wagt er sich erneut ins Village Vanguard – und erkämpft sich eben jene Reputation, die ich ihm infamerweise gerade abgesprochen habe. Aber im Ernst: in virtuoser Hinsicht gibt es hier nichts zu meckern. Leichtfried spielt ein herrlich federndes, kraftvolles Jazzpiano, seine Mitstreiter Andreas Wälti am Bass und Vladimir Kostadinovic an den Drums sind ebenso sattelfest an ihren Instrumenten. »Magicians Sounds And Other Beauties« ist eine angenehm schwungvolle, satte Angelegenheit geworden, die an manchen Stellen erfreulich fetzt, aber stilistisch bewegen wir uns da knietief im großen Gestern des Jazz. Andererseits … ein Brad Mehldau hat das genauso gemacht, nur der Sache mit Derrida-Zitaten einen intellektuelleren Anstrich verliehen. Aber, das wage ich mich zu behaupten, in Sachen Dynamik und Beherztheit könnte das Jörg Leichtfried Trio das Brad Mehldau Trio glatt an die Wand spielen. Und das vielleicht schon nächstes Jahr. Im Village Vanguard.

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