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Good-bye Ottensheim

Nach neun Jahren und ebenso vielen Open Airs ist Ottensheim und somit ganz Oberösterreich um einen kulturellen Höhepunkt ärmer. Ein Nachruf samt Suche nach Gründen für das plötzliche und für die Fangemeinde schmerzhafte Ableben.

The Notwist, Wool, Attweger, Planet E, Sofa Surfers, Deadzibel, Orchester 33 1/3, Bernd Fleischmann, Rocko Schamoni, Ich Schwitze Nie, Ted Milton Trio, Blumentopf, Austria Knochenschau.
Die Liste der Musiker, die jahrelang die Party schmissen, ließe sich noch lange fortsetzen. Letztes Jahr waren es rund 4000 zahlende Menschen, die zwei Tage Konzert in außergewöhnlichem Ambiente genossen: In der ottensheimer Donauau in einer natürlichen Arena gelegen und, was so einzigartig war, ohne Zaun rundherum. Diese Offenheit war wohl charakteristisch für das gesamte Festival. Initiiert von Menschen aus dem Jugendzentrum Ottensheim rund um Wolfgang »Wodo« Gratt ist in völliger Eigenregie, von der Förderhand meist recht unbedacht, eine Veranstaltung entstanden, welche ungeahnte Dimensionen erreicht hat. Die Grenzen für die lokale Infrastruktur sowie die Belastbarkeit der Organisatoren waren schon erreicht, der Todesstoß aber kam von der öffentlichen Hand.
Bereits im Vorfeld des letztjährigen Konzertes begannen sich Schikanen, die das ganze Wochenende kennzeichnen sollten, abzuzeichnen. Vom Bühnenaufbau weg wurden ein Veranstalter und ein bosnischer Freund und Mitarbeiter von der Gendarmerie Ottensheim zwar nicht offiziell verhaftet, aber doch »weggebeten«. Zum Drogentest. In selbiger, rechtlich nicht ganz lupenreiner Art und Weise, wurde anreisende Besucher direkt auf den Posten verfrachtet. Nachdem es Sonntag früh, nach Ende der Veranstaltung, zu einem bedauerlichen Zwischenfall mit Verletzten kam, beglückte eine Hundertschaft Gendarmen aus dem gesamten Bezirk die noch schlafenden Gäste. Um, so die offizielle Begründung, dem »Drogenproblem« in Ottensheim ein Ende zu machen, es soll ja sogar in »Drogensüchtigenkreisen« und bei »ausländischen Drogensüchtigen« explizit Werbung für die Veranstaltung gemacht worden sein. Eh klar, Lebenslang und Schwanz ab.
Da die Argumentation der Exekutive doch etwas fragil war, sprang die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung »helfend« ein. Von ihrer Seite wurden jede Menge angeblicher (und teils schon realer, aber irrelevanter) Sicherheitsmängel aufgezeigt und diesbezügliche Auflagen ausgegeben, deren Erfüllung erstens unfinanzierbar, zweitens den Charakter des Festivals zerstörend gewesen wäre. Die fehlende Unterstützung durch Lokalpolitiker erschwerte es den Veranstaltern zusätzlich, gegen manch absurde Aussage und Forderung aufzutreten. Nicht nur das Open Air Ottensheim, sondern alle Veranstalter in Oberösterreich, müssen sich weiters in Zukunft an eine Lärmbeschränkung von nur 93 dB fügen – ansonsten droht »konsequente Bestrafung«, so LR Josef Ackerl.
Die Vorfälle des letzten Jahres legen die Vermutung nahe, dass es Ziel der Exekutive und Bezirkshauptmannschaft war, das Open Air als »Drogensüchtigentreffen« brandzumarken und somit abzustellen – Jugendkultur passt wohl nicht ins Bild der »Volkskultur«, deren besondere Unterstützung sogar im aktuellen Regierungsprogramm verankert ist. Bleibt nur mehr die Frage, was man von jetzt an am letzten Juni Wochenende machen soll?

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Text
Stefan Parnreiter

Veröffentlichung
28.03.2001

Schlagwörter

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