Gary Lucas

Captain Beefheart wollte ihn in der Band haben, Tony Maimone hat ihm den Arm gebrochen. Der Typ selbst ist verrückt, findet aber in seiner und der Musik anderer zur Zeit ein wenig Ruhe und Vernunft.

Der doch als manisch zu bezeichnende Gitarrist hat mit »The Edge Of Heaven« seine bisher stimmigste Platte veröffentlicht. Darauf spielt Lucas chinesische Popmusik aus den 1940ern und 1950ern; allesamt Stücke, die ursprünglich von den Sängerinnen Bai Kwong und Chow Husan interpretiert wurden. Auf der CD singen Celest Chong und Gisburg, und die langjährig existierende Lucas-Band Gods & Monsters spielt bei einigen Stücken dezent mit. Sonst ist Lucas solo zu hören, seine nach wie vor bevorzugte Präsentationsform. Schon sein Einstand in der Magic Band war das Solostück »Flavor Bud Living« auf der Platte »Doc At The Radar Station« (1980), das Beefheart in einer früheren Version als zu religiös dargebracht empfand. Bereits 1975 hätte die Zusammenarbeit der beiden starten sollen. Der gute Gary teilte mir im Interview Folgendes mit:

Lucas: »Beefheart stellte die Gruppe mit mir schließlich1980 zusammen. Ich habe nicht die ganze Zeit darauf gewartet. Er wollte mich 1975 in der Gruppe, gab mir aber keine näheren Zeitangaben. Ich hatte schon das Ticket nach Taiwan, um für das Import/Export-Unternehmen meines Vaters zu arbeiten. Beefheart wusste das. Natürlich habe ich ihn angerufen, als ich von Taiwan zurückgekommen bin. Damals hatte er schon eine andere Gruppe, und es dauerte länger als ich es gerne gehabt hätte, bis wir tatsächlich zusammenarbeiteten. Ich zog dann nach New York und wir blieben telefonisch in Kontakt. Schließlich schickte er mir Musik und ich war dabei. So ist das gelaufen.

In Taiwan habe ich die Musik, die auf der neuen CD ist, für mich entdeckt. Ich hatte zuvor nichts dergleichen gehört und ich muss meiner ersten Frau dafür danken, mich mit dieser Musik bekannt gemacht zu haben. Damals war sie nur meine Freundin. Sie spielte diese Musik für mich und begeisterte mich für viel großartige Musik. Ich habe das alles ihr zu verdanken. Ich verliebte mich in diese Musik. Es war für mich das wunderschönste, das ich jemals gehört hatte. Ich fühlte mich wirklich glücklich, so als hätte ich einen fantastischen Schatz entdeckt. Nur wenige im Westen hatten davon gehört, also war die Musik eine Art Geheimnis, die ich mit wenigen Freunden teilte. Hoffentlich hören jetzt mehr Leute die Originale. Es ist fantastische und schöne Musik.

In love with guitars

Ich spiele noch immer laut, aber ich bevorzuge in den letzten Jahren die akustische Gitarre. Auf die einsame Insel würde ich sicher die Akustische mitnehmen. Ich liebe die Elektrische und werde auch weiterhin laute, elektrische Musik spielen. Akustisch zu spielen ist intimer und persönlicher und außerdem schwieriger. Ich arbeite gerne daran. Ich spiele viel mit verschiedenen Fingerpicking-Techniken, und um darin gut zu sein, musst du jeden Tag üben. Hier im Hotel übe ich beispielsweise auf meiner akustischen Steel-Guitar aus den 1920ern. Meine normale Akustische ist eine Gibson J 45 aus 1946. Ich liebe altes Zeug und mische es gerne mit Neuem, um etwas Einzigartiges herauszuholen.

Ich verwende bis auf ein ausgetauschtes WahWah-Pedal noch immer dasselbe Arsenal an elekronischen Effektgeräten. Ich habe nicht das Gefühl, viel ändern zu müssen, weil ich wirklich jede Klangfarbe bekommen kann, die ich will. Ich wünschte nur, ich könnte mein Set-Up etwas verkleinern. Es ist ein verdammter Pain In The Ass, das ganze Zeug auf Flugzeugen und Zügen hin- und herzuschleppen. Teuer ist es auch, weil es so viel wiegt. Ich bin wohl süchtig danach. Es ist mein Malkasten und ich bin es gewohnt.«

Live ein Erlebnis

Im Wiener Porgy & Bess war Lucas am nächsten Tag in Höchstform. Die Art, in der er zwischen seinen eklektischen Vorlieben hin- und herwechselt ist schon fast zuviel des Guten. Sein Equipment bedient er blind, lässt einen elektrischen Drone harsch dahinwabern, während er sich seine National Steel unter den Arm klemmt, um wieder in folkiges Terrain zu switchen. An einem durchschnittlichen Abend kann der Hörer neben seinen eigenen Stücken unter anderem mit Musik von Robert Johnson, Richard Wagner, Syd Barret, Bernard Hermann, Irving Berlin, The Velvet Underground, Jimi Hendrix, Kraftwerk, Miles Davis, Suicide konfrontiert werden. Den neugewonnenen Fokus der Darbietung erklärte mir Lucas später mit einem Mojito in der Hand durch den Fakt, dass er jetzt clean sei, nicht einmal mehr kiffe, und wenn wir schon darüber reden, ob ich nicht etwas dabei hätte. Seine Droge sei jetzt Sex, blah, blah, blah. Es wird Zeit zu gehen. Manfred Rahs (skug-Fotograf, Anm.) und ich stauben noch ein paar CDs ab und verabschieden uns höflich.

Abschließend sei noch erwähnt, dass Lucas aktuell eine siebenköpfige Beefheart-Coverband am Laufen hat, die sich Fast’n’Bulbous nennt, und nicht den Fehler begeht, einen Vokalisten dabei zu haben. Mit Peter Stampfel spielt er als Bluegrass-Duo unter dem Namen The DuTells. Eine weitere Platte seiner Zusammenarbeit mit Jeff Buckley soll im Herbst rauskommen. Einige meinen ja, dass Lucas als dessen Produzent und Gitarrist mit das Interessanteste seiner Laufbahn geleistet hat. Schließlich hat er noch ein Filmprojekt mit surrealistischen Exponaten und frühen Animationen in Vorbereitung, und wer sich an seine Vertonung von »Der Golem« erinnert, weiß, das Lucas hier wirklich voll in seinem Element ist. Einen Umzug nach Paris in die ehemalige Wohnung von Jean Cocteau zieht er zudem in Erwägung. Damit aber Schluss für heute.

Aktuelle CDs damals

Gary Lucas: »The Edge Of Heaven« (Label Bleu/Lotus/Indigo)

Gary Lucas: »Street Of Lost Brothers« (Tzadik/Extraplatte)

Videos:

 
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Clip vom jüngsten Album:

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