Himmelherrgott! Was ist es bloß, das internetbefähigte Menschen zu zynisch-privilegierten Alleshassern macht? Wie seelenverdorben muss man sein, um sich mit minderbemittelten Hasseruptionen in einem Überfallkommando des schlechten Benehmens auszuzeichnen, die eigene Borniertheit niemals zu hinterfragen und allen anderen damit einen abfälligen Einheitsbrei aufzuzwingen? Clara Luzia hat ein neues Album vorgelegt. Und ja, es ist tatsächlich neu und stilistisch anders (!) geworden. Aber dieser abgrundtiefe Hass, die einzig auf die Absprechung ihrer persönlichen Integrität abzielenden Kommentare und ein umgreifender Zynismus, der ihr in den unterschiedlichen Foren und Kreisen der kommentierenden Meute entgegenschlägt, sind keine Meinung, sondern eine offensichtliche Zumutung!
Größer, breiter, fetter
Dabei bietet das neue Album selbst so wenig Angriffsfläche wie eine Pop-Platte heute eben zu bieten hat. »When I Take Your Hand« ist der durchaus in einem versöhnlichen Tenor zu verstehende Titel des siebenten Soloalbums von Clara Luzia und tatsächlich leitet hier nichts zur Provokation an. Man muss sich ob der neuen Stücke nicht einmal angesprochen, geschweige denn angegriffen fühlen – selbst wenn man sich gerade und ausschließlich im ostentativen Falschverstehen und Verdrehen gegebener Tatsachen auszuzeichnen weiß. Der Kontrast zu ihren früheren, vielleicht in manchen Momenten auch nahbareren Arbeiten und dem neuen, sicherlich kommerzieller ausgerichteten und dementsprechend durchproduzierten Album ist natürlich offensichtlich. Das fällt gerade dann auf, wenn die Stücke in direkter Abfolge zu ihren älteren Nummern gehört werden. Die – nebenbei ohnehin überstrapazierte – Originalität der Authentizität fällt dann ein wenig durchs Raster. Alles ist ein wenig größer, breiter und aufgefetteter. Kann man machen, wieso auch nicht?
Geworden sind es also einige glattgebügelte Pop-Songs, leicht im Ohr jedenfalls und deshalb auch mit Sicherheit nichts, was irgendwelche bösen Absichten zu hegen pflegt. Unterhaltung ohne den Anspruch zu erheben, eine ausgedehntere Halbwertszeit als ihre eigene Spielzeit zu besitzen, weil ja ohnehin schon die nächste Melodie, der nächste Chorus bereitsteht. In gewisser Weise ist das natürlich schade. Allerdings war und ist die stilistische Wandlung seit jeher Teil des künstlerischen Schaffens von Clara Luzia. Einstige Ausflüge in kammermusikalische Gefilde gehörten schließlich seit 2014 (mit dem Abgang von Heidi Dokalik) der Vergangenheit an. Der Weg, der daraufhin mit Produzent Julian Simmons und dem Album »Here’s To Nemesis« weiterverfolgt wurde, wird also nach dreijähriger Pause nur konsequent fortgesetzt. Immerhin will der Lebensunterhalt auch weiterhin bestritten sein. Mit Originalität allein ist das bekanntlich (leider) schwierig!
Von München bis Wien
Auch deswegen wurde im Rahmen der Albumtour kürzlich und unter anderem in der Wiener Arena konzertiert. Eindreiviertel Stunden quer durch das immerhin bis ins Jahr 2006 zurückreichende Œuvre einer Frau, die sich nie festgelegt hat und wohl auch deshalb so beständig zu überzeugen weiß. Unterstützend an ihrer Seite sind nebst Ehefrau Catharina Priemer (Drums) auch Wolfgang Möstl (Gitarre) und Paul Schreier (Bass). Dabei ist es geradezu rührend, den beiden Gitarillos dabei zuzusehen, wie sie sich verhalten zurücknehmen, während die Frontfrau zur Ballade (grandios: »The Story Of You & Me«) ansetzt, um im nächsten Moment wieder voll einzusteigen – was gerade im Fall von Möstl in einige ausgedehnt krachende Solis mündet. Das macht durchaus Laune, wobei für die vier Musiker*innen spricht, dass selbst der Gang mit der Konvention niemals prätentiös oder aufgesetzt wirkt. Alle haben sich gern und schön wär’s, wenn es noch ein paar mehr wären, die sich gerne hätten und sich an die Hand nehmen ließen, um die Banalität des Alltags kurz einmal hinter sich lassen. Es könnte tatsächlich so einfach sein.
Link: https://claraluzia.com