Audrey Chen © Etang Chen
Audrey Chen © Etang Chen

Das immerwährende Wagnis Musik

Wien Modern stellt in seiner 31. Auflage das Thema »Sicherheit« in den Vordergrund und erlaubt sich dazu durchaus riskante Musikaufführungen. Musikalisch wie auch bezogen auf die Aufführungsorte führt der Weg aus dem Elfenbeinturm ins wagnisreiche Erleben an diversen Schau- und Hörplätzen.

Seit seinen Anfängen 1988 spielt Wien Modern eine wichtige Rolle im Bereich der Neuen Musik in verschiedensten Ausprägungen und ist um die Vermittlung dieser Art von Musik bemüht. Mit dem diesjährigen Motto »Sicherheit« stellt das Festival den Aspekt des Risikos in den Mittelpunkt, das sich im Bereich der Neuen Musik durch das darin unternommene Grenzgängertum zwischen Freiheit und Kontrolle ergibt. Dieses besteht einerseits darin, sich an »Unspielbares«, Improvisation, Jazz, grafische Notation usw. heranzuwagen, und andererseits, diese für viele schwer zugängliche Musik aus ihrem Wolkenkuckucksheim zu holen und einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Von »Klavierhölle« bis »Café Cage«
Zu den diesjährigen Highlights zählen musikalische Aufführungen wie das Eröffnungskonzert der Wiener Philharmoniker, bei dem Stücke von John Cage, Arnold Schönberg und Johannes Maria Staud ohne Dirigent gespielt werden, die achtstündige Beschallung der Universitätsbibliothek der mdw mit Stücken aus allen Epochen aus der über 250.000 Titel umfassenden Bibliothek, die Darbietung der Kammeroper »Das Totenschiff« sowie zahlreiche Vorträge, Gesprächsrunden und Workshops. Das ansehnliche Angebot umfasst zudem recht Kurioses wie einen Auftritt des Wiener Gemüseorchesters, eine durch die Wahrscheinlichkeiten eines Roulettetisches aleatorisch strukturierte Aufführung von Luciano Berio sowie eine Veranstaltung mit dem vielversprechenden Titel »Atlas der gesamten Musik und aller angrenzenden Gebiete«. Dafür öffnet die mdw dreieinhalb Stunden lang alle Kammern, Gänge und Säle und lädt zum Verweilen, Herumwandern und Sich-Verlieren ein. Es gibt Orte der Kontemplation ebenso zu entdecken wie etwa das Chaos einer mit zig Pianos bestückten »Klavierhölle«.

John Cage beim Dirigieren um 1967 © Courtesy of the John Cage Trust

Einen in Hinsicht auf das diesjährige Motto »Sicherheit« bemerkenswerten Rahmen bilden Auftritte von Pianist*innen in Kaffeehäusern während laufendem Betrieb. Das schützende Umfeld des Konzertsaals wird verlassen, um Stücke aus dem Bereich der Neuen Musik in ungewohnten Situationen zu spielen und damit unerwartete Zusammenhänge herzustellen. Der Ansicht des für diesen Programmpunkt namensgebenden Komponisten John Cage zufolge stellt Kaffeehaus- oder auch Straßenlärm, im Gegensatz zu einem Stück etwa von Mozart, ein akustisches Ereignis dar, das niemals wieder anders interpretiert werden kann und deswegen genauso ist, wie es sein muss. Die »Café Cage« betitelten Veranstaltungen können neben anderen Veranstaltungen von Wien Modern kostenlos besucht werden.

Im Laufe seiner Entwicklung integrierte Wien Modern zunehmend auch andere Kunstsparten wie Tanz, Performance, bildende Kunst, Film und Bewegtbild im Allgemeinen ins Programm. In diesem Zusammenhang ist etwa der mit Musik von Olga Neuwirth unterlegte Film »Die Stadt ohne Juden« zu erwähnen, der dank einer Crowdfunding-Initiative und dem Filmarchiv Austria jetzt in restaurierter und vervollständigter Form gezeigt werden kann.

Festival der Superlative
Von 28. Oktober bis 30. November finden an 34 Spieltagen in 29 Spielstätten über 100 Veranstaltungen statt. Das Konzerthaus bildet den inoffiziellen Nukleus des Festivals, weitere Venues sind der Musikverein, das Semperdepot, das Porgy & Bess, der Echoraum, die MuK und die mdw, aber auch viele Wiener Kaffeehäuser wie Ritter, Café Korb oder Zweistern. Auf dem Programm stehen 80 Ur- oder Erstaufführungen von internationalen Komponist*innen unter Mitwirkung von 30 Orchestern, Chören und Ensembles sowie zahlreichen Solist*innen. skug ist mit dabei und wird in den kommenden Wochen Eindrücke vom Festival wiedergeben.

Link: https://wienmodern.at/

Home / Musik / Konzert

Text
Bernd Gutmannsbauer

Veröffentlichung
26.10.2018

Schlagwörter

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