Cruel Santino - Subaru Boys
Cruel Santino

»Subaru Boys«

Interscope/Warner

Bereits seit einigen Jahren erregt mit Afrobeats oder Alté (für »alternative«) ein Musikgenre aus Nigeria die Aufmerksamkeit anglophiler Musikmedien, das sich auf unnachahmliche Weise zwischen die Stühle diverser Genres setzt. Nun könnte man feststellen, dass es sich dabei um eine mehr oder weniger ungewöhnliche Neuinterpretation von Soul handelt – was der Vielschichtigkeit der in Lagos ansässigen Szene aber kaum gerecht wird. Mit »Subaru Boys« legt Cruel Santino alias Osayaba Andrew Ize-Iyamu, einer der zentralen Protagonisten dieses Genres, nach »Mandy & The Jungle« (2020) bereits sein zweites Album vor. Die 21 Stücke bewegen sich zwischen R’n’B, queerer Ästhetik, Voodoo, Drill und romantisierenden Splatter-Lovestorys, wobei die Grenzen zwischen Gesang und Rap ebenso verschwimmen wie jene zwischen den Geschlechtern. Nollywood ist natürlich ebenfalls ein nicht zu vernachlässigender Faktor. Titel wie »Beautiful Nothing« greifen dabei die Abgründe der non-narrative Fiction einer YouTube-Welt auf, die Formen und Grenzen ausreizt und bisweilen auch sprengt. Als einigermaßen beständige Konstanten, die sich durch das Album ziehen, können immerhin Soul, versprengte 2-Step-Rhythmen sowie Dialogszenen vor diversen Abgründen identifiziert werden. Für diese hat sich Santi zahlreiche Gäste eingeladen: Die Liste reicht von meist weiblichen, hierzulande noch verhältnismäßig unbekannten Superstars wie Koffee (Jamaika) oder Amaarae (Nigeria) bis zu Bratzbith und Ebee, die Cruel Santino zur Lebensberatung heranzieht: Santi: »I just fucked up on my own game« – Antwort Bratzbith: »I can show you how to win« – Einwurf Ebee: »I just got played at my own game«. Missverständnisse sind intendiert, das Stiften von Verwirrung wird zum akustischen Soundtrack eines mörderischen Beziehungsdramas. Auf einer anderen Ebene eröffnet sich aber auch ein Drexciya’sches Universium, das jedoch ohne Didaktik auskommt und lose in den Fluten des Atlantiks treibt. Tracktitel wie »Heating Rocks«, »Mermaid Aqua« oder »Sucre/Saga Ship« weisen den Weg, der Sound tut sein Übriges. Die einzelnen Stücke verschwimmen als Soundtracks zu imaginären Filmsequenzen und werden von der Sehnsucht nach einem großen Drop bestimmt – der jedoch nicht stattfinden kann, weil dies die gesamte Spannung in sich zusammenbrechen lassen würde. Dafür ist Cruel Santino viel zu sehr Surfer auf einer Welle, die er selbst mitlosgetreten hat.

Home / Rezensionen

Text
Chris Hessle

Veröffentlichung
21.12.2022

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