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Brasil Flavors

DA??DE ist in den CD-Läden beharrlich unter Afrika eingeordnet: Weil sie auf einer früheren CD »Pata Pata« interpretierte oder weil ihre Heimatstadt Salvador de Bahia nicht nur musikalisch die afrikanischste der Neuen Welt ist?

Im Übrigen ist »Neguinha Te Amo« (Virgin) klassisch Brasil: percussiongetragene sambaeske Rhythmen mit viel Afoxé-Assoziationen. Ihre Stimme erinnert mich immer ein bisschen an die Grande Dame des Salvador-Sounds, Margareth Menezes, was absolut kein Fehler ist. Ihre Arrangements sind modern, lassen aber nicht diesen »state of the art«-Broken-Beats-Avantgardismus der jungen Paulista-D&B-Szene heraushängen, was manchem klarerweise wieder zu cheesy sein wird. Dennoch, wer Brasil kennt, wird an diesem Album nicht kaltherzig vorbeigehen können. Ebensowenig an IVE MENDES‘ (Mr. Bongo) selbstbetiteltem Debüt, das aufs Erste schon eher cheesy klingt, wenn es auch Ecken und Kanten hat; Mehr, als man vorerst bewusst wahrnimmt, genug, um dran zu bleiben. Es mag für manchen anfänglich eine kleine Übung im Über-den-Schatten-Springen sein, aber dieses Album macht irgendwann ziemlich süchtig. Die Mischung ist altbekannt: bittersüßer, funkiger Bossa, der Geschmack allerdings neu. Und die Dame hat Sex-Appeal. Aber Vorsicht Gringos, das ist Rio! Apropos: Wer hat diesen Sommer nicht »City Of God« gesehen? »The Real Sound Of The City Of God« bzw. V/A: »Brazilian Beats 4« (Mr. Bongo) hat einen feinen, wilden D’n’B-Remix von Ive Mendes‘ Hit »Nao Vou Fugir« von DJ Marky & XRS, der wie andere Mixe auf dieser außergewöhnlichen Compilation zeigt, wie man das brasilianische Herz zu metropolen Beats tanzen lässt, ohne es zu zertrampeln. Wer will, kann sich einen solch sadistischen, sinnlosen Gewaltakt auf Sterns beiden Remix-Alben zum Film-Soundtrack anhören. Der bei Milan schon vor einem Jahr herausgekommene »Original Motion Picture Soundtrack« selbst ist allerdings eine schöne Collage diverser Brasil-Rhythmen: v.a. traditioneller Samba, herzlich, bewegt … Guida de Palma, Frontfrau von JAZZINHO, ist eigentlich Portugiesin, und dieses, ihr Debüt, ist bei Wiens ecco.chamber/Soul Seduction herausgekommen. Dennoch gehört sie mit ihrer am funkigen 70er-Brazil-Jazz orientierten Mischung eindeutig in diese Kolumne. Erinnerungen an Chick Coreas »Return To Forever«, Tania Maria oder Flora Purim & Airto Morera werden (was an und für sich schon was Gutes ist) ebenso wachgerufen wie an Brazil-Funk vergangener und heutiger Tage. Und natürlich fehlt dem Ganzen auch nicht eine Portion englischer NuJazz-Dancefloor-Lässigkeit, was die Sache (gelegentlich allzu) schön abrundet.
Barcelonas »Zona Bastarda« soll hier nur insofern thematisiert werden, als ihr ein Musiker zugerechnet wird, der eigentlich in Brasilien geboren und aufgewachsen ist, seit Jahren aber in der mediterranen Metropole mit ihrer vielfältigen Mischkultur lebt: WAGNER PÁ. Sein zweites Album »El Imparable Transeúnte« (Hoanzl) atmet eindeutig brasilianische Luft, selbst dann, wenn er Spanisch singt. Die Einflüsse, Querverweise und Spielweisen gehen und kommen in alle Himmelsrichtungen: Samba, Bossa, Reggae, Latin, Tango, Mornas, gelegentlich verpackt in Dub oder D’n’B. Ja richtig, das erinnert sehr an Manu Chao, der tatsächlich sein Freund ist. Nur, dass ich Wagner Pá wegen größerer Subtilität und Leichtigkeit im Vortrag (ein Qualitätsmerkmal brasilianischer Musik) vorziehe. Wer das Wien Konzert versäumt hat – hier ist die CD.
MARCOS VALLE kann man wohl nur an sich selbst bzw. an seinem jeweils letzten, in diesem Fall großartigen Album »Escape« messen, auf dem er sich die Latte hoch, sehr hoch gelegt hat. Und natürlich überspringt er sie nicht, bleibt aber auch nicht wesentlich darunter. Was »Contrasts« (Soul Seduction) im Vergleich zum Vorgänger fehlt, ist diese traumwandlerische Surfer-Eleganz und unmittelbare Emotionalität, die Hüften und Herz im Gleichklang schwingen lassen. Trotz – oder gerade wegen – des breiten Rhythmus-Spektrums wirken manche Songs von »Contrast« in der Präsentation (wieder im Vergleich zu »Escape«) ein wenig kühl – etwas, das auch in der ersten Hälfte des Konzerts im Wiener Reigen spürbar war. Allerdings gibt es genügend wunderbare hitverdächtige Ausreißer wie »Disfarca E Vem«, »Valeu« (gemeinsam mit Joyce) oder »Parabéns«. Die CD endet mit drei Remixen von 4 Hero, Bugz In The Attic und Buscemi, die es durchaus verdienen, auf einem Marcos-Valle-Album vertreten zu sein.

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Text
Hans Grausgruber

Veröffentlichung
20.02.2004

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