Wir leben in einer sonderbaren Gemeinschaft, hier auf der Erde – nie mit etwas wirklich neuem, aber immer voller verrückter Überraschungen. Die Jazz-Industrie vegetiert seit mehr als 20 Jahren in einem hoffnungslosen Stadium und versucht, mit den letzten Atemzügen ihrer Helden und Angebeteten zu überleben. Stan Getz, Chet Baker, Dizzy Gillespie, Lester Young und wer nicht alles reihen sich in einer langen Liste . . . Während eine große Promo-Kampagne den Tenorsaxaphonisten und Modern-Jazz-Mentor Wayne Shorter in fröhlichem Seniorenalter präsentiert, erzählt sein Album eine andere Geschichte, eine wesentlich tiefere und schmerzvollere. Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, dass er »es hinter sich hat« oder »er es nicht mehr bringt«, aber dieses Live-Album bedient eher einen fiesen Voyeurismus als den Jubel um ein Comeback. Shorter scheint lediglich ein Schatten seiner selbst, und man kann nur schwer entscheiden, ob er noch in miserabler körperlicher Verfassung ist oder bereits »gegangen« ist. Die Stücke, zusammen mit einem Akustik-Quartett, erinnern an seine legendären Alben auf Blue Note, aber ein Vergleich würde nur sinnlos frustrieren. Gibt es denn keine anderen Wege, unsere Helden zu feiern und zu erinnern? Sollten Sammler und Totengräber wirklich diese Art von Aufnahmen brauchen, sollen sie sich meiner Meinung nach woanders danach umsehen. Shorter hat seit den späten 70ern behauptet, er habe noch Musik für 100 weitere Leben auf Lager. Miles Davis hat erst ganz am Ende nachgelassen, Sam Rivers ist immer noch sehr stark, aber das kann man nicht von allen anderen auch verlangen. Offensichtlich hatte Shorter hier keine Lust zu spielen, und wir könnten das respektieren. Wir könnten . . .
Wayne Shorter
Footprints Live!
Verve
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