»Wahrscheinlich kann man auf den Seychellen gar keine andere Musik machen«, sagt ein Freund, als wir an einem sonnigen Nachmittag die dritte Ausgabe der »Rock’N’Roll People«-Reihe hören – und meint damit die hemmungslos melodiöse, schwungvolle Musik von den Seychellen der 1970er Jahre, die auf der jüngsten Compilation des Münchener Musikers und (skug-)Autors Pico Be versammelt sind. Er meint Sega-Musik – und natürlich Sonne, Sandstrand, Palmen. Wahrscheinlich läuft in den Discos der Inselbewohner heute aber HipHop, Banghra und Dubstep, in den Hotels und Strandbars der Touristen gezähmte und entseelte Aufgüsse des Sega. Ich habe nicht den leisesten Schimmer. Wahrscheinlich kann man auf den Seychellen aber sehr wohl auch andere Musik machen als sonnendurchfluteten 1970er-Jahre-Sega. Und wahrscheinlich konnte man das auch schon in den Siebzigern. Denn auch damals war man mit der Globalisierung immerhin schon so weit, dass die Nachfahren der einst von französischen Siedlern vom afrikanischen Festland auf die Seychellen verschleppten Sklaven die auf Mauritius und Réunion entstandene Sega-Musik, selbst schon eine Mischung aus indigener und europäischer Tanzmusik, importieren und mit Schlagzeug, Bass, E-Gitarren und Orgeln weiter modernisieren konnten. Die Gesänge sprühen nur so vor Leidenschaft und Sehnsucht, die Musik vor Spiel- und Experimentierlust. Die wunderbar ungeschliffenen Songs strahlen eine entspannte Lebensfreude aus, dass man aufpassen muss, eben nicht dem Klischee des armen, aber immer glücklichen Inselbewohners auf den Leim zu gehen. Leider haben die Musiker und Songs keine Namen. Die Kassetten, auf denen der 2012 verstorbene Immobilienunternehmer Otto Schnitzenbaumer die Musik mitgeschnitten hatte, waren unbeschriftet. Erst letztes Jahr haben sie ihren Weg nach München gefunden, wo Pico Be schließlich diese Best und wohl auch Weirdest Of erstellt hat: Von schlageresken Songs mit loop-artigen Percussions über entspannte, gitarrengetragene Instrumentals bis zum Rock’n’Roll mit abgehacktem Sprechgesang ist alles dabei. Die »Rock’N’Roll People«-Reihe – auf insgesamt fünzig Exemplare in fünfzig Jahren angelegt, weil man nun mal fünfzig Plattencover entworfen hat – das wird damit auch endgültig klar, redet von »Rock’n’Roll« nicht als Genre, sondern als Spirit. Und den kann man gottseidank überall finden.
Plattenpräsentation inkl. Lecture am Mittwoch den 11. Juni beim Salon skug im Wiener rhiz!