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Philipp Kienbergers Luzid Chaos

»It’s all about breaking the wall«

Freifeld Tonträger

Das hätte so ja gar nicht stattfinden sollen. Eigentlich wollte Bassist Philipp Kienberger, Mitglied der Post-Hardcore-Punker Jakuzi’s Attempt, nur einige Möglichkeiten ausloten, etwa »die Klang- möglichkeiten der am Jazz orientierten Musik, in Ausdruck und Direktheit jedoch am Feld der experimentellen Avantgarde orientiert«. Oder mit anderen Worten: »eine Band gründen, die alle Konventionen bricht«. Da lacht er dann selbst. Na klar, wer will das nicht? Aber träumen darf man ja. Noch besser aber, man sucht sich ein paar Freunde und Gleichgesinnte, zum Beispiel Hubert Bründlmayer an den Drums, Simon Raab an den Tasten, Alexander Kranabetter an der Trompete und die Sängerin Anna Anderluh, und macht sich ans Werk. Geht ins Studio, probt, probiert, tastet, ver- wirft, tastet erneut, verwirft nicht mehr. Dieses Nicht-mehr-verwerfen – ergo Zufrieden-sein-mit-dem-Erreichten – hat dann offenbar Ûberhand genommen, wie der Release einer voluminösen Doppel-CD verrät. Oder wie Kienberger sagt: »Was uns im Laufe der Probenphasen und der ersten Gigs so an diesem Projekt begeistert hat, war, dass es quasi von selbst seinen Weg ging.«

Erfreulich ist, dass dieses spielerische Element, diese improvisierende Freude am Experiment (genauer genommen: an der offenen Form) wirklich schön herauszuhören ist, besonders auf der zweiten CD. Obwohl in der Instrumentierung und aufgrund des improvisatorischen Gestus über- wiegend nach Jazz klingend, marschieren Kienberger und seine Mitstreiter auf »It’s all about breaking the wall« fröhlich durch die Genres, scheuen sich auch nicht vor »greifbaren Strukturen« und ein- gängigeren Themen, sodass mitunter die Grenze in Richtung bloß jazzig anmutendem Soundtrack leichtfüßig überwunden wird, bevor dann wieder ein halsbrecherischer Break oder eine minimal- istische Spielerei die Schublade in eine andere Richtung verschiebt. Trotzdem kommt hier keine Beliebigkeit auf, was am offenkundigen Faible aller Beteiligter für die epische Form liegt. Großzügig werden in überwiegend sanft pulsierenden Tempi Spannungen aufgebaut und harmonische Bögen gespannt, die schon fast zu Jazzballaden zerrinnen. Das mag wohl auch der Grund sein, warum sich die erwähnte Spielfreude mitunter ein wenig zu sehr im Gefälligen verliert. Umgekehrt ist Zugänglich- keit nie ein Fehler und wer sich bei moderatem Jazz mit ergebnisoffenen Hang zum Kammerkonzert wohlfühlt, ist hier bestens aufgehoben. Ein beachtliches Debüt auf jeden Fall.

 

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