The Flying Luttenbachers © Manfred Rahs
The Flying Luttenbachers © Manfred Rahs

Wenn Tod und Massaker freundlich »Hi« sagen …

… dann sind The Flying Luttenbachers mit ihrem neuen Album »Imminent Death« zurück! Am 12. Dezember 2019 gastieren sie im Wiener Fluc. Support bei der zu erwartenden sonischen Attacke bekommen sie von FS Massaker.

Es war einmal in der Post-Grunge-Ära, in der zweiten Hälfte der Neunziger, als Indie sich zum Alternative Mainstream aufblähte, Punkrock sich zum formelhaften Soundtrack für Turnschuhwerbung banalisierte und kurzfristige Major-Deals die kreativen sowie menschlichen Burn-outs etlicher Bands kaschierten. Rock roch allzu oft nicht einmal mehr »funny«. Allerdings brodelte es in kleinen DIY-Enklaven umso heftiger. Zu diesen Unbeugsamen zählte das Chicagoer Skin Graft Label, das lautstark Now (!) Wave proklamierte. Methodisch wie musikalisch hatte da verdammt viel Platz: von offensichtlichen No-Wave-Noise-Bezügen über undogmatische Beefheart’sche Experimentierfreudigkeit bis zu Bobby Conns De- und Rekonstruktion von Glam. Und unüberhörbar mittendrin Weasel Walter und The Flying Luttenbachers.

»The Truth Is A Fucking Lie«
Anfang der 1990er von ihm und dem früh verstorbenen Namensgeber Hal L. Russell als Zwei-Saxofone-plus-Drums-Trio gegründet, war auch Ken Vandermark kurz mit von der Partie. Die Entwicklung über »Constructive Deconstruction« bis »Destroy All Music« verlief in relativ überschaubaren Free-Jazz-Bahnen. In der nächsten Phase dröhnte und frönte Weasel mit neuen Mitstreitern seinen Vorstellungen von entgrenztem Punk Jazz. Unvergessen bleibt der Opener auf »Revenge Of…« (1996), dessen Titel das heutzutage alltägliche Anti-Social-Media-Phänomen vorwegnahm: »Storm of Shit«. Über den Aktualitätsbezug eines »The Truth Is A Fucking Lie« betitelten Albums braucht man sowieso keine großen Worte verlieren. Inwiefern der »Hi« artikulierende Roboter mit den Antennenohren Definitionsmacht und Deutungshoheit in der KI-Debatte an sich reißen wird, bleibt abzuwarten.

Weasel Walter, 2004 © Manfred Rahs

Über Beweggründe jenseits apokalyptischen Facepainting-Klamauks gab Weasel Walter in einem denkwürdigen Interview (skug 34/1998) David Krispel Auskunft: »Uns interessieren die Gefühle, die in Bewegungen wie Death Metal, Free Jazz, Punkrock, Noise manifestiert sind. Vielleicht hört man deshalb diese Elemente in unserer Musik, weil sie für mich alle dieselben Emotionen, Energien oder Intensitäten, Hass, Gewalt und Kraft ausdrücken.« Dies sollte für Weasel Walters exzessiven Output neben den Luttenbachers und auch nach ihrem vorläufigen Ende 2007 verbindlich bleiben. Als einer, der es versteht, seine Obsessionen hyperproduktiv zu gestalten, war er in den letzten Jahren als Gitarrist von Lydia Lunchs Retrovirus auf hiesigen Bühnen unterwegs; gemeinsam mit Bassist Tim Dahl, der auch bei den Luttenbachers seit ihrer Wiederauferstehung 2017 für low flow sorgt. Des Weiteren zählen zur aktuellen Besetzung Saxofonist Matt Nelson und Gitarrist Brandon Seabrock. Das neue Machwerk des gepflegten Weltuntergangs in Doppelalbum-Länge ist soeben erschienen.

Abfahrt Südosttangente
Den Support bestreiten passenderweise FS Massaker. Auf ihrer heuer erschienenen Debüt-LP »Plan B« präsentiert sich die Konstante Michael Masen (Tenor-, Altsaxofon)/Werner Thenmayer (Drums) mit ihrem langzeitigen Trio-Kollaborateur Richie Herbst, der seine analogen Synthesizer auch als Regolith gehörigst zum Brummen und Brutzeln bringt. Seit ihrem selbstbetitelten Kassettendebüt (Interstellar 2017) und einer Split-LP mit L’Asino werden die durchnummerierten Improvisationen Stunt-Wo-Men aus der Film- und Fernsehgeschichte gewidmet. Schon mal von Diana Wagner-Boyd, Glenn Randall Jr. oder Dan Coffey gehört? FS Massaker teilen die Skepsis der Improvisierenden bezüglich des Konservierens von Momentaufnahmen: Bis die eine erschienen ist, haben sie schon längst die nächsten Schritte gemacht. Masen suchte sich diesen Sommer ein lauschiges Übungsplätzchen bei einer Abfahrt der Wiener Südosttangente; früh morgendlich, vor Antritt der Lohnarbeit, mit dem Rauschen der Autobahn als Klangkulisse. Reeds-induzierte Unfälle sind keine dokumentiert. Thenmayer, früher bei den Instrumental-Präzisionsrockern Sex On The Beach einer von zwei Drummern, sammelte u. a. auch Live-Erfahrung in der Band von Gustav. Dort ist wiederum Elise Mory fixes Mitglied on piano. Sie hämmerte auf FS Massakers »Improvisation #5« in die Tasten. Im Fluc werden am 12. Dezember 2019 Masen und Thenmayer ihr Livedebüt in neuer Triobesetzung mit dem Gitarristen Moritz Morast geben.

The Flying Luttenbachers © Manfred Rahs

Links:
https://theflyingluttenbachers.bandcamp.com/
https://fsmassaker.bandcamp.com/

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