Wer sich regelmäßig Musik erörterndes Textmaterial zuführt, weiß, dass das bei vielen Schreibenden unstillbare Bedürfnis, eine Band auf ein fantasievolles Subsubgenre herunterzubrechen, meist merkwürdige Begriffsneuschöpfungen hervorbringt. Daher haben Esben and the Witch ein schweres Los, das wird bei einem Blick auf all die Bezeichnungen klar, die den Sound der Band aus dem englischen Brighton zu klassifizieren versuchen. Post Rock und Prog Metal soll das sein, wahlweise auch Dark Wave oder Goth Punk, eher verlegene Neologismen wie Nightmare Pop und Witch House gaukeln schließlich Alleinstellungsmerkmale in einer vermeintlich überausdifferenzierten Musikwelt vor.
Vielleicht kommt dieses Problem jedoch nicht von ungefähr, denn tatsächlich fragte man sich beim Hören der Alben von Esben and the Witch des Öfteren, wo die Band hinwill. Die Antwort, die die Band geben würde, wäre sicher nicht »Nowhere«, ausgerechnet so aber heißt die im November 2018 erschienene fünfte LP, die mit bisherigen Veröffentlichungen eines teilt: Das Trio aus Rachel Davies (Gesang, Bass), Thomas Fisher (Gitarre) und Daniel Copeman (Schlagzeug) deutet viel Potenzial an und kann über die volle Distanz dann doch nicht überzeugen. Die Songs werden sorgfältig und präzise aufgebaut, mitunter ist der Spannungsbogen aber im entscheidenden Moment erschlafft.
Mit »No Dog« geht es endlich los
Leider ist dies bisweilen auch bei den Live-Auftritten der Band der Fall. Das heißt nicht, dass man bei Esben and the Witch kein gutes Konzert erlebt. Allerdings hat es eine etwas unzufriedenstellende Wirkung, wenn man sich in einem Augenblick mitreißen lassen mag, im nächsten dagegen wie bestellt und nicht abgeholt fühlt. Dieser Eindruck prägte weite Teile der ersten Hälfte des Konzerts im Wiener Viper Room. Zunächst konzentrierte sich die Band auf das aktuelle Album, eher als die darauf zu findenden Stücke wie »Dull Gret« oder »Golden Purifier« stachen gleichwohl ältere hervor, etwa das auf über zehn Minuten gestreckte und sich schließlich in Kaskaden ergießende »Marking the Heart of a Serpent«.
Spätestens mit »No Dog« (ein Song, von dessen erstmaligem Anhören weg man sich wünscht, ihn live dargeboten zu bekommen) sprang der Funke doch zunehmend über. Leider ging das Konzert da schon seinem Ende entgegen. Nach »The Jungle« kam zum Finale passenderweise eine Nummer mit Wienbezug, »Smashed To Pieces In The Still Of The Night«, eine in dieser Stadt bekannte Zeile, da sie ja als eine Arbeit des Künstlers Lawrence Weiner in großen Lettern am Flakturm im Esterházypark im sechsten Gemeindebezirk prangt. Verglichen mit der Albumversion holte Davies auf der Bühne das Maximum aus dem Song heraus und beschloss den Gig so durchaus imposant.